Digitaler Nachlass – Auch hier gelten „analoge“ Regeln

Der Bundesgerichtshof hat kürzlich die Aufmerksamkeit einmal mehr auf den digitalen Nachlass gelenkt. Wie dieser vererbt wird und wie Anbieter mit Daten Verstorbener zulässigerweise umgehen dürfen, war bislang weitgehend ungeklärt. Das Gericht hat nunmehr entschieden, dass der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk grundsätzlich auf die Erben des Kontoberechtigten übergeht. Gerd Seeliger, Partner bei SKW Schwarz Rechtsanwälte, erläutert, wie diese Grundsatzentscheidung mehr Klarheit für den digitalen Nachlass schafft und warum individuelle Regelungen trotzdem nach wie vor wichtig sind.

 

Zum digitalen Nachlass gehören neben den Vertragsbeziehungen zwischen Nutzern und Providern alle IT-Systeme einschließlich des gesamten Datenbestandes, d. h. E-Mail Accounts, Inhalte der Accounts, wie E-Mails, Adressbücher, Bilder, Posts und Blogs, Domains und Rechte an Web-Seiten, Mitgliedschaften in sozialen Netzwerken oder auch digitale Konten. In der Praxis ist den Erben meist nicht bekannt, wo der Verstorbene online aktiv war, wo Benutzerkonten, Verträge und Geschäftsbeziehungen bestehen, und welche davon Kosten auslösen. Obwohl es in dieser Situation besonders wichtig ist, möglichst schnell Nutzerkonten und Verträge zu sichten und gegebenenfalls zu kündigen, sind den Nachfolgern die Hände gebunden. In der Praxis hilft hier eine Liste sämtlicher Benutzerkonten und Passwörter, entweder als Ausdruck oder als gespeicherte Version auf einem USB-Stick. Diese Liste sollte an einem sicheren Ort hinterlegt und, soweit erforderlich, regelmäßig aktualisiert werden. Werden Konten und Passwörter häufig geändert, ist der Tipp, den USB-Stick im Bankschließfach zu hinterlegen, allerdings wenig praxistauglich.

Doch selbst wenn Benutzerkonten und Passwörter bekannt sind, wird die Abwicklung des digitalen Nachlasses durch ganz unterschiedliche Regelungen erschwert, die Provider für den Todesfall ihrer Nutzer vorsehen. Manche öffnen die Accounts gegen Vorlage des Erbscheins, wie etwa GMX und Web.de, bei anderen erlischt das Konto mit dem Tod, etwa bei Yahoo. Bei Google können Nutzer bzw. Nutzerinnen über den Kontaktinaktivitäts-Manager eine Vertrauensperson benennen. Nochmal anders war es bislang bei Facebook, wo ein beliebiger Nutzer ein Konto in den „Gedenkzustand“ versetzen und damit selbst für die berechtigten Erben unzugänglich machen konnte.

Provider müssen Daten an Erben herausgeben

Hierzu hat nun der Bundesgerichtshof im Fall einer 15-jährigen Nutzerin von Facebook, die in Berlin von einer U-Bahn erfasst worden war und verstarb, entschieden (Urt. v. 12.7.18, Az.: III ZR 183/17). Dieses Urteil schafft Rechtssicherheit über den konkreten Fall hinaus. Es stellt klar, dass Erben bei allen Account-gestützten Nutzungsverträgen in die Rechtsstellung des verstorbenen Nutzers eintreten. Das Gericht sagt, dass der digitale Nachlass nicht anders zu behandeln sei wie der analoge, d. h. wie Briefe, Tagebücher etc.: Facebook muss daher der Mutter als Erbin Zugang zu dem Facebook-Konto gewähren, auch wenn die Plattform dieses nach ihren Regeln bereits in den so genannten Gedenkzustand versetzt hat. Facebook durfte der Mutter, die im Besitz des Passwortes ihrer Tochter war, auch nicht aus Datenschutzgründen den Zugang verweigern, um die Persönlichkeitsrechte derjenigen zu schützen, die mit der Tochter vor ihrem Tod kommuniziert hatten. Die Erben haben viel mehr einen Anspruch auf Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten. Dies, so der BGH, ergebe sich aus dem Nutzungsvertrag, der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergeht.

Das Urteil des Bundesgerichtshofes lässt sich auch auf andere Social-Media-Plattformen übertragen. Erben können danach nicht nur auf das Facebook-Konto zugreifen, sondern auch von Instagram, Twitter, Google bis hin zu WhatsApp Zugriff ohne Einschränkungen verlangen, weil sie als Rechtsnachfolger in die Position des Erblassers eintreten. Damit sind viele, in der Praxis kontrovers diskutierte Fragen geklärt.

Besser persönlich vorsorgen

Dennoch bleibt die lebzeitige Regelung des digitalen Nachlasses außerordentlich wichtig. Neben der Frage, wer die Foto-, Kunst- oder Plattensammlung erben soll, sollte jeder, der online aktiv ist, eine Regelung treffen, was mit seinen Daten und virtuellen Werten geschehen soll. Bleiben z. B. Social-Media-Konten wie virtuelle Gedenktafeln bestehen, oder sollen alle Spuren nach und nach getilgt werden?

Daher empfiehlt sich, neben der Erstellung und regelmäßigen Aktualisierung einer Liste sämtlicher Benutzerkonten und Passwörter auch eine genaue Anweisung an die Erben zu hinterlegen, wie mit den digitalen Daten einschließlich Bildern und Videos verfahren werden soll. Einer Person des Vertrauens kann bereits zu Lebzeiten Vollmacht zur Verwaltung des digitalen Nachlasses erteilt werden, gerade wenn Erben nicht (vollständig) Kenntnis über digitale Daten erhalten sollen. Verwalter des digitalen Nachlasses kann aber auch ein in einem Testament benannter Testamentsvollstrecker sein.

Unternehmer sollten besonders sorgfältig prüfen, ob die Abwicklung des digitalen Nachlasses im betrieblichen Bereich derselben Person anvertraut wird wie im Privatbereich. In jedem Fall sollte die Abwicklung des privaten digitalen Nachlasses in einer (Vorsorge-)Vollmacht und im Testament sowie der betriebliche digitale Nachlass in einer gesonderten Vollmacht, jeweils mit genauen Anweisungen, geregelt werden.

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