Reform der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit

"Investitionsschutzabkommen haben seit geraumer Zeit einen schweren Stand in den Medien. Die teils heftige Debatte wurde angefacht durch die Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) und zusätzlich befeuert durch die 2012 vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall gegen Deutschland eingereichte Schiedsklage vor dem International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) in Washington, sagt Professor Klaus Sachs, Partner bei CMS Hasche Sigle in München."

 

Die Medien kritisieren jedoch nicht nur Investor-Staat-Schiedsverfahren, sondern auch die Handelsschiedsgerichtsbarkeit und verkennen dabei oft deren handfeste Vorteile gegenüber Verfahren vor staatlichen Gerichten: Vertraulichkeit des Verfahrens, freie Auswahl von fachkundigen Schiedsrichtern, Flexibilität der Verfahrensgestaltung einschließlich der Wahl der Verfahrenssprache, Erlangung schneller Rechtssicherheit durch ein zügiges Verfahren ohne weitere Instanzen und die nahezu weltweit sichergestellte Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen (New Yorker Übereinkommen 1958). Viele dieser Vorteile werden von den Kritikern der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit dort gerade als Nachteil gewertet. Die Ursache liegt in den Besonderheiten der Investitionsstreitigkeiten begründet. In der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit geht es um die völkerrechtlichen Regeln, die dem Schutz ausländischer Investitionen und Investoren dienen. Ihre Rechtsquelle sind bilaterale Investitionsschutzabkommen (so genannte BITs) sowie Handelsabkommen, die Vorschriften zum Investitionsschutz enthalten, wie etwa das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) oder der Energiecharta-Vertrag. Mit dem Abschluss eines BITs mit Pakistan 1959 war Deutschland Vorreiter bei den heute weltweit mehr als 3 000 bilateralen Investitionsschutzverträgen; Deutschland hat 131 Abkommen ratifiziert.

Verspäteter Aufschrei

Die Mehrzahl der BITs sieht Streitbeilegungsverfahren durch Schiedsgerichte vor. Sie räumen Investoren unmittelbare Klagerechte gegen den Gaststaat ein – von dieser Möglichkeit ist seit Ende der 1990er Jahre oft Gebrauch gemacht worden: Wurden im Jahr 2000 weltweit nur 13 neue Verfahren bekannt, waren es 2012 schon 50 und weltweit liegt die Zahl mittlerweile bei rund 500. Deutsche Unternehmen haben sich den Investitionsschutz innerhalb der zurückliegenden 20 Jahre in mehr als 30 Fällen zunutze gemacht und Gaststaaten überwiegend erfolgreich verklagt. Der Aufschrei der Empörung in den Medien über eine nun erstmals gegen Deutschland gerichtete Klage eines Investors wirkt daher etwas scheinheilig. Dennoch besteht Reformbedarf bei der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit. Kritisiert wird vor allem, dass Investitionsschiedsverfahren vertraulich sind, die Öffentlichkeit also weder über die Einzelheiten des Verfahrens noch über dessen Abschluss informiert wird.

Transparenz und mehr Rechtssicherheit erforderlich

Diese Kritik erscheint völlig berechtigt. Im Gegensatz zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit geht es hier regelmäßig um hoheitliches Handeln und politische Entscheidungen des Gaststaates. Sollte ein Gaststaat tatsächlich seine Pflichten aus einem Investitionsschutzvertrag verletzt haben, kann er zu Entschädigung oder Schadenersatz verurteilt werden. Es geht also letztlich um Steuergelder. Solche Verfahren sollten daher in der Tat nicht im Hinterzimmer geführt werden. Die Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) hat Transparenzregeln erarbeitet, die eine umfassende Öffnung der Schiedsgerichtsbarkeit vorsehen und die seit dem 1. April 2014 gelten – sie könnten auch bei der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit als Richtschnur dienen. Der zweite Kritikpunkt betrifft die völkerrechtlichen Schutzstandards der Investitionsschutzabkommen und insbesondere den Grundsatz der fairen und gerechten Behandlung (Fair and Equitable Treatment, FET). Die EU-Kommission schlägt dazu im Verhältnis zu den USA vor, die mit dem unbestimmten Rechtsbegriff FET verbundene Rechtsunsicherheit durch einschränkende Fallgruppen auszuschließen, wie Denial of Justice oder den Verstoß gegen fundamentale Verfahrensrechte.

Frage der Berufungsinstanz bleibt heikel

Kritisiert wird schließlich, dass es in Investitionsschiedsverfahren keine zweite Instanz gibt. Im Rahmen des TTIP wäre die Einführung einer Revisionsinstanz denkbar. Dadurch könnte mehr Kohärenz und folglich mehr Rechtssicherheit in den oft strittigen Grundsatzfragen der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit erreicht werden. Dennoch: Zum einen ist es geradezu Wesensmerkmal der Schiedsgerichtsbarkeit, dass sie keinen Instanzenzug kennt. Zum anderen gibt es bereits die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Einhaltung von verfahrensrechtlichen Mindeststandards. Schließlich ist zu bedenken, dass eine zweite Instanz die Verfahrensdauer verlängern und die ohnehin sehr erheblichen Verfahrenskosten weiter in die Höhe treiben würde. Vernünftiger wäre es also, es bei einer Instanz zu belassen und stattdessen die materiellen Schutzstandards zu präzisieren.

Fazit

Durch mehr Transparenz und Präzisierung der Schutzstandards könnten und sollten die Hauptkritikpunkte an der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit leicht behoben werden. Genau dafür setzt sich auch die EU-Kommission beim TTIP ein. Die Bemühungen der EU-Kommission in dieser Richtung sind zu begrüßen und als Chance zu verstehen, die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit zu reformieren. Auf sie zu verzichten, wäre für eine Exportnation wie Deutschland fatal.

 

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