„Reform wird Gewinner und Verlierer hervorbringen“

Die Einheitswerte für die Bemessung der Grundsteuer sind laut Bundesverfassungsgericht verfassungswidrig. Bis spätestens Ende 2019 muss der Gesetzgeber die verfassungswidrige Rechtslage durch eine Neuregelung beseitigen. Bis dahin dürfen die bisherigen Regelungen weiter angewandt werden, längstens jedoch bis Ende 2024. Wie die Grundstücksbewertung der Zukunft aussehen könnte und welche Belastungen auf Eigentümer von Grundstücken, Häusern und Wohnungen sowie Mieter zukommen können, erklärt Angelika Knaus, Steuerberaterin bei Ebner Stolz, im Gespräch mit PLATOW Recht.

Frau Knaus, was genau kritisiert das Bundesverfassungsgericht an der bisherigen Berechnung der Grundsteuer?

Für jedes der mehr als 35 Mio. Grundstücke in Deutschland  wird als Basis für die Grundsteuer ein Einheitswert ermittelt. Die derzeitige Vorgehensweise führt aber zu Ungleichbehandlungen. In den alten Bundesländern basieren die Einheitswerte auf den Wertverhältnissen aus 1964, in den neuen Bundesländern reichen sie sogar bis zum Jahr 1935 zurück. Um die Grundsteuer zu berechnen, wird dieser Einheitswert aktuell mit einer Messzahl multipliziert, die nach Art des Objektes variiert. Dann erfolgt noch die Multiplikation mit dem Hebesatz, der von den Städten und Gemeinden selbst festgelegt wird. Da die Verfassungsrichter den Ausgangswert für verfassungswidrig erklärt haben, kann die Grundsteuer so  nicht weiter ermittelt werden. Die bisherige Bewertung kann längstens bis 31.12.24 als Bemessungsgrundlage der Grundsteuer herangezogen werden. Spätestens ab 1.1.25 darf die Grundsteuer nicht mehr darauf basierend festgesetzt werden.

Welche Optionen zur künftigen Bewertung der Immobilien sind aktuell in der Diskussion?

Im Kern liegen momentan drei Modelle auf dem Tisch. Bereits in Form eines Gesetzentwurfs der Mehrzahl der Bundesländer liegt das „Kostenwert-Modell““ vor. Dazu wird bei unbebauten Grundstücken die Fläche von Grund und Boden mit den Bodenrichtwerten der Gutachterausschüsse multipliziert. Bei bebauten Grundstücken sollen nach Gebäudearten typisierend ermittelte Gebäudeherstellungskosten hinzukommen. Das Alter des Gebäudes wird durch eine so genannte Alterswertminderung pauschal berücksichtigt. Kritiker dieses Modells, bislang in erster Linie Bayern und Hamburg, wenden dagegen ein, dass dadurch insbesondere in Ballungszentren mit enormen Steigerungen der Grundstückswerte zu rechnen sei. Denn zum einen unterliegen die Bodenrichtwerte einer natürlichen Veränderung, da sie die durchschnittlichen Verkaufswerte eines bestimmten Gebietes wiedergeben. Zum anderen sollen die anzusetzenden Baukosten in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Damit droht die Einführung einer ständig steigenden Bemessungsgrundlage.

Ein weiteres Modell ist unter dem Begriff „Südländer-Modell““ bekannt geworden, das von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen entworfen wurde. Grundlagen der Bewertung sollen hier einzig die Bodenfläche und die Nutzungsfläche des Gebäudes sein. Der Charme des Modells besteht in seiner Einfachheit und voraussichtlich schnellen Administrierbarkeit.

Schließlich könnte auch lediglich auf den Bodenwert abgestellt und der Gebäudewert komplett außen vor gelassen werden. Eine solche „Bodenwertsteuer““ wäre wohl am einfachsten umzusetzen, würde aber unbebaute Grundstücke im Vergleich zu bebauten Flächen höher belasten.

Wie würden sich die einzelnen Modelle auf die konkrete Belastung jedes einzelnen auswirken? Müssen wir uns auf eine Mehrbelastung einstellen oder besteht sogar die Aussicht auf Entlastung?

Bei den Modellen geht es zunächst nur um die künftige Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Im Rahmen des schon laufenden Gesetzgebungsverfahrens wurde bereits signalisiert, dass die Reform aufkommensneutral erfolgen soll, also keine Steuererhöhungen geplant sind. Dass das aber individuell auf jeden Steuerzahler zutrifft, ist kaum zu erwarten. Jedes Modell wird letztlich zu Gewinnern und Verlierern führen.

Ist denn damit zu rechnen, dass bisherige Vergünstigungen, z. B. die Erlassmöglichkeit bei Leerstand einer Mietimmobilie, erhalten bleiben?

Hier dürfte maßgeblich sein, ob und wie der Gesetzgeber durch die Grundsteuer die Nutzung von Immobilien und die Investitionsbereitschaft in Immobilien steuern möchte.

In Ballungszentren fehlt Wohnraum. Könnte eines der Modelle dazu geeignet sein, dem entgegen zu wirken?

Dieses Ziel könnte wohl am besten mit der reinen Bodenwertsteuer erreicht werden, weil unbebaute Grundstücke genauso  wie bebaute Flächen besteuert werden. Damit dürfte ein Anreiz gesetzt sein, durch die Bebauung höhere Einnahmen bei gleich bleibender Grundsteuerbelastung zu erzielen.

Was denken Sie: Welche der derzeit diskutierten Lösungen ist die Beste? Oder haben Sie einen Tipp für den Gesetzgeber, wie eine optimale Lösung aussehen könnte?

Aus meiner Sicht muss letztlich eine administrierbare Lösung gefunden werden. Die neuen Bewertungsregeln müssen für rd. 35 Mio. Grundstücke in Deutschland händelbar sein, auch um den Kommunen die bislang sichere und konjunkturunabhängige Einnahmequelle von ca. 14 Mrd. Euro zu erhalten.

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