Änderung der Verlustverrechnung bei Körperschaften

Am 23.12.2016 wurde das „Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften“ im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Ziel des Gesetzes ist die Lockerung der steuerlichen Rahmenbedingungen für die Eigenkapitalzuführung durch Investoren in Körperschaften wie beispielsweise in Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und Aktiengesellschaften (AG). Dadurch werden Investitionen in Start-Ups und sanierungsbedürftige Gesellschaften steuerlich einfacher. Johannes Stehr, Partner und Steuerrechtsexperte bei der Kanzlei Arnecke Sibeth, schildert, was die Änderung im Einzelnen für Konsequenzen hat. 

Hintergrund

Erwirtschaftet ein Unternehmen Verluste, ist dies betriebswirtschaftlich grundsätzlich unerwünscht. Steuerlich haben Verluste jedoch einen Wert. Die Verluste können nämlich mit in der Zukunft erwirtschafteten Gewinnen verrechnet werden und senken dadurch die Steuerlast.

Bislang war die Verlustverrechnung bei Körperschaften stark eingeschränkt. Nach § 8c des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) geht ein Verlust vollständig verloren, wenn mehr als 50 Prozent der Anteile an der Körperschaft innerhalb von fünf Jahren übertragen werden, beziehungsweise anteilig, wenn mehr als 25 Prozent (bis 50 Prozent) übergeben werden. Ausnahmen vom Verlustuntergang waren gesetzlich nur in engen Grenzen vorgesehen, nämlich für bestimmte Übertragungen im Konzern (Konzernklausel) und für den Fall, dass zum Zeitpunkt des schädlichen Erwerbs stille Reserven vorhanden sind (Stille-Reserven-Klausel).

Die bisherige Besteuerungspraxis hat gezeigt, dass Situationen auftreten, in denen ein Verlustuntergang wirtschaftlich nicht gerechtfertigt und zur Missbrauchsvermeidung nicht erforderlich ist. Dies führte bereits zu einer Vorlage beim Bundesverfassungsgericht. Kritisiert wurde, dass der Verlustuntergang allein an die formale Voraussetzung eines Gesellschafterwechsels anknüpfte und so auch bei einer wirtschaftlich notwendigen Eigenkapitalzuführung durch Investoren eintreten konnte. Tödlich gerade für junge Technologieunternehmen, die neue Wagniskapitalgeber als Investoren gewinnen konnten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit des in 2008 eingefügten § 8c KStG steht aber noch aus.

Neuregelung

Mit dem „Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften“ hat der deutsche Gesetzgeber nun reagiert und eine neue Vorschrift (§ 8d KStG) in das bestehende Gesetz eingefügt. Nach dieser bleibt die Verlustnutzung möglich, solange der Geschäftsbetrieb der Körperschaft, der in den drei zurückliegenden Jahren unterhalten worden ist, unverändert fortgeführt wird (so genanntes Fortführungserfordernis).

Wird dieses Fortführungserfordernis erfüllt, führt ein nach § 8c KStG grundsätzlich schädlicher Beteiligungserwerb nicht zum Verlustuntergang. Er kann vielmehr zukünftig noch zur Verrechnung mit Gewinnen genutzt werden. Der verbleibende Verlust wird verfahrensrechtlich als so genannter „fortführungsgebundener Verlustvortrag“ gesondert in einem Steuerbescheid festgestellt.Sollte das Erfordernis hingegen verletzt werden, bevor der Verlust verbraucht wurde, sind die Verluste nicht mehr nutzbar und gehen unter. Helfen kann dann grundsätzlich nur noch die so genannte Stille-Reserven-Klausel, die auch im Anwendungsbereich des abgeänderten Paragraphen gilt.

Zentraler Begriff der Neuregelung ist also der Geschäftsbetrieb. Dieser umfasst nach der gesetzlichen Definition die von einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht getragenen, nachhaltigen, sich gegenseitig ergänzenden und fördernden Betätigungen der Körperschaft und orientiert sich an qualitativen Merkmalen in einer Gesamtbetrachtung. Dieses sind angebotene Dienstleistungen oder Produkte, Kunden- und Lieferantenkreise, bediente Märkte sowie die Qualifikation von Arbeitnehmern. Das Fortführungserfordernis wird – ohne zeitliche Grenze – beispielsweise bei der Einstellung oder bei einem zeitweisen Ruhigstellen des Geschäftsbetriebs, bei einem Wechsel der Branche und bei der Aufnahme eines weiteren Betriebs verletzt. Darüber hinaus ist es auch schädlich, wenn die Körperschaft sich an einer Mitunternehmerschaft beteiligt, die Körperschaft die Stellung eines Organträgers einnimmt oder auf diese Wirtschaftsgüter übertragen werden, die sie zu einem geringeren als dem gemeinen Wert ansetzt.

Bewertung

Die gesetzliche Neuregelung ist grundsätzlich zu begrüßen. Mit ihr können nicht genutzte Verluste auch nach einem Anteilseignerwechsel weiterhin steuermindernd bei der Verlustgesellschaft berücksichtigt werden, sofern diese denselben Geschäftsbetrieb fortführt. Damit werden die Finanzierungsmöglichkeiten von jungen Unternehmen wie Start-Ups verbessert, die häufig Anfangsverluste erzielen und neues Kapital zur Fortführung des Betriebs benötigen. Auch Sanierungen werden so erleichtert. Der Gesetzgeber reduziert damit steuerliche Hemmnisse bei der Unternehmensfinanzierung durch Neueintritt oder Wechsel von Anteilseignern und verbessert insgesamt die Rahmenbedingungen für Wagniskapital in Deutschland.

Der neue Paragraph ist andererseits aber auch komplex und bietet viel Streitpotenzial. Es ist daher zu erwarten, dass sich die Finanzgerichte zeitnah intensiv mit der gesetzlichen Neuregelung werden beschäftigen müssen.

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