Ist das EU-Patent nun endlich auf der Zielgeraden?
"Der Rat der Europäischen Union hat im Rahmen einer außerordentlichen Sitzung am 27.6.11 zwei Verordnungsvorschläge gebilligt, die das Vorhaben eines einheitlichen und kostengünstigen EU-Patentsystems auf den Weg bringen sollen. Damit hat das EU-Patent, das bereits auf erste Überlegungen aus den 1960er-Jahren zurückgeht, eine wichtige nächste Hürde genommen. Einen Ausblick und Rückblick geben die beiden Rechtsanwälte Andreas Leclaire und Stefan H. V. Wilke von Raupach & Wollert-Elmendorff in Düsseldorf."
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Das jahrzehntelange Ringen um ein einheitliches Patent in ganz Europa war Ende letzten Jahres endgültig am Veto Italiens und Spaniens gescheitert. Beide Länder sehen sich durch die vorgesehene Sprachenreglung, die nur die drei Amtssprachen des Europäischen Patentamts (EPA) – Deutsch, Englisch und Französisch – berücksichtigt, benachteiligt und haben im Mai 2011 Klage vor dem EuGH erhoben. 25 EU-Mitgliedsstaaten haben zwischenzeitlich jedoch im Wege der „verstärkten Zusammenarbeit“ Verordnungsvorschläge auf den Weg gebracht, die den Gedanken eines einheitlichen Patentsystems konkretisieren. Geplant ist, dass diese Vorschläge noch in diesem Jahr das EU-Parlament passieren, so dass schon 2013 eine einzige Patentanmeldung beim EPA Patentschutz in zumindest 25 EU-Mitgliedsstaaten erreichen kann. Nur in Italien und Spanien bedürfte es dann weiterhin einer nationalen Patentanmeldung bzw. -validierung, sofern sich die Staaten nicht doch noch beteiligen.
Kritik am bisherigen Patentregime in Europa
Das bisherige Patentsystem unter dem Europäischen Patent-übereinkommen gilt als sehr teuer und wird als Hemmschuh für Innovation in Europa gesehen. Das EPA prüft europäische Patentanmeldungen und erteilt ein „europäisches Patent“, sofern die formalen Voraussetzungen vorliegen. Es handelt sich dabei aber nicht um ein einheitliches Patent, sondern vielmehr um ein Bündel nationaler Patente. Damit ein solches europäisches Patent in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Patentorganisation, für die der jeweilige Anmelder Patentschutz begehrt, wirksam wird, muss das einzelne Patent in den jeweiligen Ländern unter Berücksichtigung der geltenden nationalen Vorschriften validiert werden. Dabei fallen hohe Übersetzungs- und Verwaltungskosten an, die bei einem begehrten Patentschutz zum Beispiel für die 27 EU-Mitgliedsstaaten derzeit rund 32 000 Euro betragen, wovon 23 000 Euro allein auf Übersetzungskosten entfallen. Im Vergleich dazu kostet ein US-Patent insgesamt durchschnittlich 1 850 Euro.
Vorteile des EU-Patents
Das geplante EU-Patent verfolgt daher insbesondere das Ziel, die hohen Übersetzungskosten zu senken. Es soll vermieden werden, dass eine amtliche Übersetzung der Patentanmeldeunterlagen in zahlreiche Landessprachen vorgelegt werden muss. Stattdessen soll es genügen, die Anmeldeunterlagen in einer beliebigen Sprache beim EPA zusammen mit lediglich einer Übersetzung in einer der drei Amtssprachen des EPA einzureichen. Etwa anfallende Übersetzungskosten werden Patentanmeldern mit Sitz in der EU durch das EPA sogar erstattet. Das EU-Patent wird schließlich in einer der drei EPA-Amtssprachen mit direkter Wirkung für die Mitgliedsstaaten erteilt. Neben der Patentschrift werden lediglich Übersetzungen der Patentansprüche in den drei EPA-Amtssprachen veröffentlicht. Dieses Verfahren wird Patentanmeldern die Kosten für Übersetzungen der gesamten Patentanmeldeunterlagen in die jeweiligen Landessprachen ersparen. Der reduzierte Übersetzungsaufwand ermöglicht damit die Erlangung von Patentschutz in den EU-Mitglieds-staaten zu einem deutlich niedrigeren Gesamtpreis.
Besondere Bedeutung für KMU
Gerade der Kostenaspekt führte in der Vergangenheit vermehrt dazu, dass kleinere und mittlere Unternehmen entweder nur einzelne nationale Patente oder europäische Patente mit Schutz lediglich für einige wenige Länder wie z. B. Deutschland, Frankreich und Großbritannien anmeldeten. Für den restlichen Teil der EU wurde seitens der Patentanmelder in Kauf genommen, dass die Erfindungen dort zur Nachahmung frei waren. Die Einführung des kostengünstigen EU-Patents dürfte daher im besonderen Maße die Interessen mittelständischer Unternehmen treffen. Es dürfte für diese verstärkt Anreize bieten, Innovationen voranzutreiben und ihre Entwicklungen zu einem EU-Patent anzumelden, was wiederum den Technologie- und Innovationsstandort Europa stärken sollte.
Noch ungeklärte Fragen
Die EU-Kommission ist zuversichtlich, dass die Umsetzung des EU-Patents im Wege der „verstärkten Zusammenarbeit“ durch die Klage von Italien und Spanien beim EuGH nicht gefährdet wird. Abzuwarten bleibt allerdings, wie die EU-Kommission die Frage der Einrichtung einer einheitlichen EU-Patentgerichtsbarkeit lösen wird, die dann für alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem EU-Patent zuständig sein soll. Bisherigen Planungen, ein neues EU-Patentgericht zu schaffen, erteilte der EuGH im März eine Absage mit der Begründung, das Vorhaben sei in der bislang vorgesehenen Form nicht mit europäischem Recht vereinbar. Wie die neuen Vorschläge dazu aussehen werden, bleibt abzuwarten.
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