„Insolvenzen sind heute planbarer“

2012 war die Unternehmensrestrukturierung eines der beherrschenden Themen in der deutschen Rechtsberatung. Wie die Leiser-Gruppe erfolgreich durch den Sanierungsprozess ging, erläutert Rechtsanwalt Heiko Tschauner.

Welche wesentlichen Änderungen haben sich durch das neue Insolvenzrecht für in finanzielle Schieflage geratene Unternehmen ergeben?

Das Insolvenzverfahren ist planbarer geworden. Wenn der Insolvenzantrag vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gestellt wird und die Sanierungsaussichten von einem Insolvenzexperten bescheinigt werden, kann der Schuldner das so genannte Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung betreiben und sich den Sachwalter, der ihn überwacht, selbst aussuchen. Das Gericht setzt dann eine maximal dreimonatige Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans. Daneben wird bei größeren Verfahren ein obligatorischer vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt, wodurch der Einfluss der Gläubiger auf das Verfahren – insbesondere auf die Auswahl des Insolvenzverwalters – gestärkt wird. Das Insolvenzplanverfahren ist damit wesentlich verbessert worden. Nunmehr kann auch in Gesellschafterrechte eingegriffen werden und es können z. B. auch Debt-for-Equity Swaps gegen den Willen der Altgesellschafter umgesetzt werden. Zudem sind die Rechtsmittel gegen Insolvenzpläne und damit die Möglichkeit, die Bestandskraft des Insolvenzplans zu verzögern, wesentlich eingeschränkt worden.

Welche Herausforderungen ergaben sich im Fall Leiser?

Zunächst musste Pionierarbeit bei allen Beteiligten, d. h. Lieferanten, Banken, Gericht, Gläubigerausschuss etc. betrieben werden, weil Leiser das erste große Schutzschirmverfahren in Deutschland war. Es ging im Wesentlichen darum, Vertrauen zu gewinnen. Weiter war die Sicherstellung der weiteren Finanzierung eine Herausforderung, da Kreditversicherungen für Lieferanten nach dem Insolvenzantrag naturgemäß nicht mehr zu erhalten waren. Dies war vor allem im Hinblick auf den laufenden Geschäftsbetrieb entscheidend. Ohne eine gesicherte Finanzierung wären beispielsweise die rechtzeitige Bestellung neuer Schuhkollektionen und die damit verbundene Sicherung der Marktposition von Leiser nicht möglich gewesen.

Inwieweit hat Leiser vom neuen Insolvenzrecht profitiert? Wäre es unter den alten Regelungen schwieriger gewesen, das Unternehmen erfolgreich zu sanieren?

Leiser hat zum einen von den klassischen insolvenzrechtlichen Restrukturierungsinstrumenten profitiert, z. B. von Sonderkündigungsrechten im Hinblick auf unrentable Filialen und die Übernahme von Pensionsverpflichtungen durch den Pensionssicherungsverein. Die Vorteile des neuen Insolvenzrechts bestehen darin, dass das ESUG mit dem Schutzschirmverfahren in Deutschland eine neue Sanierungskultur, nämlich eine frühzeitige Sanierung im Insolvenzverfahren, eingeläutet hat. Dies hat wesentlich dazu beigetragen, Vertrauen zu gewinnen. Unter den alten Regelungen wäre es sicherlich schwieriger gewesen, das Unternehmen erfolgreich zu sanieren, insbesondere weil früher keine Eigenverwaltung im vorläufigen Verfahren möglich gewesen wäre und die Umsetzung des Insolvenzplans mit größeren Unsicherheiten behaftet gewesen wäre.

 

Heiko Tschauner leitet als Partner im Münchener Büro der Sozietät Hogan Lovells die Praxisgruppe Restrukturierung und Insolvenzrecht in Deutschland. Mit dem Leiser-Mandat bewarb sich Hogan Lovells für den diesjährigen PLATOW Recht Award und schaffte es in den Kreis der Nominierten.

 

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