Zyklische Konsumgüter

Nestlé – Die Uhr tickt für den Neuen

Seit knapp einem Jahr ist Laurent Freixe der neue CEO bei Nestlé. Sein Fokus: das Kerngeschäft. Wir haben mit Analyst Andreas von Arx gesprochen, ob diese Strategie aufgeht.

Dominik Görg,
Nestlé-Logo an einem Bürogebäude
Nestlé-Logo an einem Bürogebäude © kittyfly - stock.adobe.com

Mit Laurent Freixe an der Spitze schlägt Nestlé strategisch eine neue Richtung ein: Statt M&A rückt der neue CEO wieder Innovation und Marketing ins Zentrum – das Kerngeschäft des Konzerns. Über die Hintergründe und Erfolgschancen dieses Kurswechsels haben wir mit Andreas von Arx gesprochen, langjähriger Nestlé-Beobachter und Aktienanalyst bei Baader Helvea in Zürich.

Unter dem früheren CEO Mark Schneider, dem ersten externen Firmenchef seit 1922, konzentrierte sich der Konzern auf Gesundheitsprodukte und wachstumsstarke Zukäufe. Doch viele M&A-Deals – etwa Freshly oder Aimmune Therapeutics – blieben hinter den Erwartungen zurück. Gleichzeitig vernachlässigte Nestlé angestammte Stärken.

Freixe trifft mit seinem Neustart auf ein schwieriges Konsumumfeld, insbesondere in Nordamerika. „Die gesamte Branche ist zwar betroffen, aber Nestlé überproportional“, betont von Arx mit Blick auf den Umsatzanteil von 35% in der Region. Hinzu kommen stark gestiegene Rohstoffpreise: Kakao und Kaffee haben sich seit 2021 verdoppelt, was Preiserhöhungen notwendig mache.

Fokus auf starke Marken – erste Abspaltung erfolgt

Zur Steigerung der Profitabilität will Freixe das Markenportfolio auf rund 30 Kernmarken wie Nespresso und Purina fokussieren. Bereits im Mai 2025 wurde die Wassersparte (u.a. Perrier, S.Pellegrino) als eigenständige Einheit abgespalten. Sie macht zwar weniger als 4% des Konzernumsatzes aus, könnte aber über 5 Mrd. Euro wert sein. Von Arx sieht weiteres Verkaufspotenzial bei „Prepared Dishes“ (z.B. Maggi), zuckerhaltigen Getränken (Nesquik, Milo) und möglicherweise im Bereich Consumer Health. Das Schokoladengeschäft in Europa sei schwierig – Wettbewerber wie Lindt, Mondelez oder Mars hätten hier klare Größenvorteile. Für das Tiefkühlsegment sieht von Arx wenig Hoffnung: „Der gefühlt dritte Turnaround in zehn Jahren – ein strukturell schwieriger Markt.“

Der angestoßene Turnaround der Firma verzögere sich laut von Arx daher immer mehr. Für das laufende Jahr wird eine EBIT-Marge von 16% erwartet, mittelfristig (bis 2030) sollen über 17% erreicht werden. Freixe hat sich damit bereits von seinem ursprünglichen Ziel von 17,5–18,5% verabschiedet. „Auch der Analystenkonsens rückt immer näher an die Vorquartalswerte heran – das zeigt, wie fragil die Lage ist.“ Visible Alpha rechnet im Q2 mit einem organischen Wachstum von 2,9% (Q1: 2,8%). Für das erste Halbjahr liegt der Konsens bei 2,7%. „Da braucht es eine klare Beschleunigung in der zweiten Jahreshälfte, um die 3,3% fürs Gesamtjahr zu erreichen“, schätzt von Arx die Ziele ein. Mittelfristig erwartet er ein EPS-Wachstum von rund 5% pro Jahr plus Dividende. Aktienrückkäufe seien aktuell unwahrscheinlich – zunächst müsse die Verschuldung reduziert werden.

Mit einem KGV von 18 ist die Aktie unter ihrem Zehnjahresschnitt von 22 bewertet. Angesichts des schwächeren Wachstums ist das jedoch nicht günstig. Von Arx‘ Fazit: „Freixe hat jetzt ein, zwei Jahre Zeit. Aber Fortschritte müssen bald sichtbar werden – sonst gerät auch er unter Druck.“

Wir sind bei Nestlé (77,79 CHF; CH0038863350) seit 18. Februar engagiert. Wir stufen die Aktie auf „Halten“ ab. Neuleser warten die Q2-Zahlen (24.7.) ab. Stopp unverändert bei 58,60 CHF.

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