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Türkei droht trotz Tourismus Bilanzproblem

Auch in der Türkei herrscht derzeit Hochsaison für den Tourismus, von dem wichtige Beiträge zur Leistungsbilanz erwartet werden. Die Einnahmen aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe und den damit verbundenen Dienstleistungen sind unverzichtbar, um die mit den Zinsen steigenden Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland zu bedienen. Doch die Nachrichten sind besorgniserregend: Die Urlauberströme wenden sich von der Türkei ab.

Türkeifahne vor einer Moschee
Türkeifahne vor einer Moschee © Meg Jerrard

Auch die türkische Klientel schaut sich um. In den vergangenen zwei bis drei Jahren sei der Preisvorteil verlorengegangen, heißt es beim türkischen Reisebüroverband Türsab. Urlaubsländer wie Ägypten, Tunesien, Marokko und sogar Griechenland nehmen der Türkei Marktanteile ab. Das ist kein Zufall und auch nicht auf überzogene Forderungen erpresserischer Gewerkschaften zurückzuführen, sondern Folge der irrationalen und nur an der jeweiligen politischen Opportunität orientierten Wirtschaftspolitik von Präsident Recep Erdogan. Die von Erdogan angeheizte hohe Inflation ist keineswegs eingedämmt, die jüngste Inflationsrate vom Juni liegt mit 71,6% immer noch deutlich über dem Leitzins von 50%, der damit zu wenig bewirkt.

Die Abwertung der türkischen Lira haben die Behörden einschließlich der Zentralbank auf Geheiß Erdogans hingegen deutlich gebremst und damit genau die Falle aufgebaut, in die der Tourismus geraten ist. Da der Inflation keine entsprechende nominale Abwertung gegenübersteht, verteuert sich das türkische Angebot real auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit.

Vor einem Jahr konnte die türkische Tourismusbranche für 100 Euro Einnahmen von 2.978 Lira auf dem Inlandskonto verbuchen. Heute, 12 Monate später, sind es 3.560 Lira pro 100 Euro. Selbst das ist zu wenig. Denn die Ausgaben für Personal, Lieferanten und Dienstleister sind viel stärker gestiegen: Die Waren und Dienstleistungen, die ein Hotelier oder Gastronom vor 12 Monaten für 2.978 Lira einkaufen konnte, kosten heute inflationsbereinigt („im Durchschnitt“) 5.110 Lira – also über 70% mehr. Um diese Lücke zu schließen, müsste der türkische Lieferant beim aktuellen Kurs statt 100 Euro 143,50 Euro verlangen. Selbst wenn nur die Hälfte davon an die Kunden weitergegeben wird, sind die Folgen schmerzhaft.

In Bodrum ist die Zahl der türkischen Touristen in den ersten sechs Monaten um 20% zurückgegangen. Profiteure sind vor allem die griechischen Inseln. Dort ist die Zahl der türkischen Urlauber im Vergleich zum Vorjahr um 165% gestiegen. Im Herbst droht eine erneute Zahlungsbilanzkrise, wenn es der Regierung nicht gelingt, neue Kreditquellen zu erschließen. mk

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