Taiwan – Halbleitermarkt beflügelt
Der Wohlstand, den Taiwans Halbleiterindustrie generiert, beflügelt die gesamte Wirtschaft, und die Zentralbank hat kürzlich ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr auf 3,8% angehoben. Mit dieser starken Entwicklung hat Taiwan Japan und Südkorea beim Pro-Kopf-BIP überholt.
Der National Development Council (NDC) prognostiziert bei einem Wachstum von 2,8% einen Anstieg auf 39.105 Dollar im Jahr 2025. Noch optimistischer ist der IWF. Der sieht Taiwans BIP pro Kopf bereits in diesem Jahr bei 34.430 Dollar und damit vor Japan (33.100 Dollar) und Südkorea (34.160 Dollar). China wird, ausgehend von 12.614 Dollar im Jahr 2023, noch längere Zeit zu den Nachzüglern gehören.
Das NDC führt die starke Dynamik auf den Ansturm der US-Technologiegiganten auf die Entwicklung von Dienstleistungen und Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) zurück, von dem Taiwan als Sitz der weltweit größten Anbieter von KI-Chips und KI-Servern profitiert. Die Beschäftigten im Technologiesektor sorgen mit steigenden Gehältern für einen Nachfrageschub auf den lokalen Märkten. Vor allem der Immobilienmarkt erhält dadurch starke Impulse, was bereits zu Stabilitätsproblemen führt.
Die Zentralbank hat reagiert, die Vergabe von Hypotheken wurde auf maximal 70% des jeweiligen Wertes begrenzt, die Käufer müssen entsprechend hohe Eigenmittel nachweisen. Neben dem Immobilienmarkt erweist sich auch der Arbeitsmarkt in mehrfacher Hinsicht als problematisch: Die aktuellen Zuwächse sind bislang sehr eng auf die Halbleiterindustrie beschränkt, im Dienstleistungssektor sind die Löhne und Gehälter inflationsbereinigt sogar gesunken.
Zudem ist die Verteilung auch innerhalb des Sektors ungleich. Es profitiert die Kapitalseite durch wachsende Vermögen, während die Einkommen hinterherhinken. Das sektorale Ungleichgewicht führt zu sozialen Spannungen, und das Ungleichgewicht innerhalb der Branche wird zu einem Hindernis im internationalen Wettbewerb der Halbleiterindustrie um die besten Köpfe.
Nach Angaben des Innenministeriums blieb die Anwerbung ausländischer Fachkräfte mit zuletzt rund 600 in zwölf Monaten sehr schwach. Dies wiegt umso schwerer, als auch Taiwan wie Japan mit einer schrumpfenden Bevölkerung zu kämpfen haben. Inzwischen scheint zumindest das NDC diese Probleme ernst zu nehmen: Man wolle „ein nachhaltigeres Gleichgewicht schaffen, indem mehr Gewicht auf soziale Investitionen gelegt wird“. Davon wird abhängen, ob sich grundsätzlich sinnvolle Investitionen in den taiwanesischen Gesamtmarkt langfristig als lukrativ erweisen. mk