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Osteuropa – Schwieriges Verhältnis zur E-Mobilität

Elektrofahrzeuge sind in Mittelosteuropa (MOE) immer noch eine Seltenheit. Den Zahlen des polnischen Automobilverbands PZPM zufolge machten Pkw mit reinem Batterieantrieb im 1. Halbjahr 2023 nur rund 4% aller Neuanmeldungen aus, weit weniger als im EU-Durchschnitt (rd. 14%).

Ähnlich sieht es in Tschechien aus: Der Anteil der E-Autos lag unter 3% bei den Neuzulassungen zwischen Januar und September 2023. In Deutschland waren im gleichen Zeitraum 18% der Neuwagenverkäufe reine Elektroautos (ohne Hybridmodelle). Zusammen mit der Slowakei ist Tschechien das Schlusslicht in der EU. In Ungarn sieht es etwas besser aus: Die Verbrenner machten im ersten Halbjahr noch rund 51% aller Neuwagen aus, Hybride der verschiedenen Formen 44%, die reinen Stromer kamen auf einen Anteil von lediglich 5%.

Ungarn will zur Nummer zwei werden

Ein Treiber für die Elektromobilität könnten die Firmenflotten werden. Die Unternehmen sind wichtige Abnehmer der Autoindustrie. Immer mehr Konzerne legen aus Imagegründen Wert auf Nachhaltigkeit, sei es um negative Effekte bei der Wahrnehmung durch die Kunden zu vermeiden, sei es um sich ein fortschrittliches Image zu verschaffen. In jedem Falle müssen sie damit rechnen, dass die Konsumenten den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt im weitesten Sinne als Qualitätsmerkmal ansehen. Aber auch hier hinken die Osteuropäer bislang deutlich hinterher. In der diesjährigen Erhebung des EV-Readiness durch den Flottenmanager LeasePlan lagen die Slowakei, Tschechien und Polen wie schon im Vorjahr auf den letzten drei Plätzen, weil die Kostenbelastung hoch und die Infrastruktur dürftig ist. Neben den privaten Unternehmen hinken auch die kommunalen Verwaltungen hinter den Plänen her, gerade die Elektrifizierung der Busse im ÖPNV kommt nicht voran.

Diese Relationen wirken paradox, denn die bei der Nutzung zurückhaltenden Osteuropäer setzen viel daran, zum industriellen Zentrum der E-Mobilität in Europa zu werden. Am deutlichsten verfolgt Ungarn diese Linie. Der Orbán-Regierung zufolge ist Ungarn bereits heute der viertgrößte Hersteller von Elektrobatterien und will bald zur Nummer zwei werden. Die Ambitionen stützen sich darauf, dass alle wichtigen europäischen Autobauer, namentlich die deutschen Premiummarken, in Ungarn produzieren und zugleich fünf der 10 größten (allesamt asiatischen) Batteriehersteller (CATL, Eve Power, BYD, Huayou Cobalt und Sunwoda) ebenfalls Ungarn als zentralen Standort gewählt haben. Damit konnte Ungarn im letzten Jahr auf Platz 4 in der Weltrangliste der Batterieproduzenten aufrücken. Polen steht nun nicht zuletzt dank Europas größter Batteriefabrik, die von der schwedischen Northvolt bei Danzig betrieben wird, noch weiter vorne und konnte die USA vom zweiten Platz verdrängen, hinter den auf absehbare Zeit unerreichbaren Chinesen.

In jedem Fall haben sich die Osteuropäer auf der industriellen Seite trotz der schwachen eigenen Nutzung einen enormen Startvorteil gesichert, die den hohen Anteil der Autoindustrie an der Gesamtwirtschaft (Slowakei: 13% vom BIP) auch über den angelaufenen Wandel hinweg sicherstellt. EM-Investoren verschafft das auf längere Sicht stabile Perspektiven. mk

Die Mittelosteuropäer bleiben neben Asien ein zentrales Element des Emerging-Markets-Portfolios.

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