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Osteuropa – Der „worst case“ dürfte ausbleiben

Die European Bank for Reconstruction and Development (EBRD) hat das turnusmäßige Update zu ihrem Ausblick vorgelegt – samt Lichtblick: Das lfd. Jahr wird doch nicht so schwach wie befürchtet. Zunächst zeichnet sich für 2022 ab (die Q4-Zahlen stehen noch aus), dass das Wachstum mit 2,4% ggü. Vj. (nunmehr von 6,8% auf 7,1% nach oben revidiert) erwartungsgemäß deutlich zurückgegangen ist.

Nicht nur lässt der Schub nach dem Ende von Corona nach, auch der Ukraine-Krieg fordert seinen Tribut. Obendrauf bremst neben dem globalen Zinsauftrieb vor allem die von den Energiepreisen ausgehende Inflation die Konsumnachfrage. Demgegenüber steht die Aufwärtsrevision der Prognose für 2024 von 2,9% auf 3,3%. Kurz: Die Lage ist momentan zwar alles andere als großartig, die Aussichten sind aber eher positiv. Das gilt gleichermaßen für die Region Mittelost und Baltikum: Für 2022 werden jetzt 4% Wachstum angesetzt (+0,3). Das lfd. Jahr sieht mit 0,6% (weniger als die Hälfte der im September geschätzten 1,3%) eher mau aus. Das kommende Jahr schätzt die EBRD mit 2,7% um einen vollen Prozentpunkt besser ein als zuvor.

Im Gegensatz zu den anderen Regionen wird Zentralasien auch im laufenden Jahr stark von der Abwanderung von Unternehmen und Humankapital aus Russland profitieren. Zudem liefern die Transitdienstleistungen um Russland herum beachtliche Wertschöpfungsbeiträge. Da wohl auch eine Erholung in China zusätzlichen Schub liefert und die Öl- und Gasexporteure weiter von den guten Preisen profitieren, bleibt der Aufwärtstrend ungebrochen erhalten. Der aufsteigende Ausblick für 2022/23/24 mit 4,3%, 4,9% und 5,4% Wachstum ist jedenfalls erfreulich und sollte positive Überraschungen bei den Anlagen in Kasachstan und Usbekistan hervorbringen, wo die Privatisierung der Staatsunternehmen weitergeht.

In den Kaukasusstaaten Armenien und Georgien schlägt die Zuwanderung aus Russland noch stärker zu Buche mit voraussichtlich zweistelligem Wachstum für 2022 und Wachstumsraten um 5% für 2023/24. Vergleichsweise schwach bleibt dagegen Aserbaidschan, dem die EBRD trotz Öl- und Gasexporten nur 2,5% für 2023/24 zutraut (wie zuvor schon die Weltbank). Das ist offenbar auf eine Klemme zurückzuführen: Aserbaidschan muss in Russland Gas zukaufen, um den Gesamtbedarf aus Eigenverbrauch und Exportverpflichtungen decken zu können. Nebeneffekt: Die EU kauft auf dem Umweg über Baku weiterhin russisches Gas.

Die Staaten am Südostrand der EU haben den Belastungen weniger fiskalische Feuerkraft entgegenzusetzen. Die EU-Mitglieder (Bulgarien, Griechenland, Rumänien) liefern im Zahlenwerk der EBRD mit 1,5% und 3,1% Wachstum – trotz des anlaufenden Konjunkturprogramms – ein schwächeres Bild als die Westbalkanstaaten mit 2,2% und 3,4%, weil dort der Druck der inflationsbedingten Einbußen bei den Realeinkommen stärker ins Gewicht fallen. mk

Unterm Strich dürften sich für die nächsten 3 bis 6 Quartale Zentralasien und Südosteuropa als die interessantesten Anlageziele innerhalb des ehemaligen Ostblocks erweisen.

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