Märkte

Mittelmeerraum – Unruhiges Fahrwasser

Für die Länder am östlichen Mittelmeer macht sich der Ukraine-Krieg unmittelbar durch die höheren Preise für Öl und Lebensmittel bemerkbar. Alle Länder sind auf die Einfuhr von Nahrungsmitteln angewiesen. Die meisten sind auch Nettoimporteure von Kraftstoffen. Infolgedessen ist die Inflation im Jahr 2022 sprunghaft angestiegen und der Druck auf die Währungsreserven hat zugenommen.

Die post-Covid-Erholung des Tourismus wurde eher gebremst. Darüber hinaus wirken sich Unterbrechungen in den Lieferketten auf stärker exportabhängige Volkswirtschaften aus, insbesondere Marokko und Tunesien, die von der nachlassenden Nachfrage aus Europa betroffen sind. Gleichzeitig könnten sich für Ägypten als Gasexporteur neue Möglichkeiten ergeben. Der fiskalische Druck hat den Finanzierungsbedarf in allen Ländern erhöht, konnte aber durch die Vereinbarung neuer IWF-Programme für den Libanon, Tunesien und Ägypten teilweise kompensiert werden, was das Vertrauen der Investoren stärkte. Unterm Strich sieht die EBRD in ihrem neuesten Ausblick das Wachstum der Region bei 2,9% und 4,7% für 2022 bzw. 2023.

Marokko und Tunesien lahmen, Ägypten gibt Gas

Die arabische Vormacht Ägypten erweist sich dabei auch als wirtschaftlich überdurchschnittlich stark. Die EBRD-Prognose liegt bei 3,9% und 5,6%, der aktuelle IWF-Ausblick fällt mit 6,6% und 4,4% noch positiver aus. Das Land profitiert von steigenden Erdgasexporten, ist aber auf die Einfuhr von Öl, Lebensmitteln und Industrieprodukten angewiesen. Die Inflation ist klar zweistellig, was bereits zur Abwertung zwang. Das neue IWF-Programm brachte allerdings auch die erhoffte Beruhigung der Märkte, weil damit weitere Reformen in Gang kommen, die den positiven Trend stützen.

Der Aufschwung Marokkos hingegen verlangsamt sich. Die Wirtschaft legte im ersten Quartal nur noch um 0,3% ggü. 2021 zu, nach dem Rekordanstieg von 7,4% im Vorjahr. Vor allem die Landwirtschaft erlebte durch die schwere Dürre einen tiefen Einbruch. Die Auslandsnachfrage nach Exporten und Tourismus bleibt zunächst schwach, zudem ist Marokko Netto-Importeur von Öl und Gas. Die EBRD schätzt das aktuelle Wachstum auf 1,1% (IWF: 0,8%), im nächsten Jahr dann auf 3,3% (IWF: 3,1%).

Tunesien sieht einige Impulse im Tourismus und der verarbeitenden Industrie in einem insgesamt eher ungünstigen Umfeld. Als besonders problematisch erwies sich die Einigung mit dem IWF auf ein neues Programm, da sich Widerstand gegen die damit verbundenen schmerzhaften Reformen regte. Das Programm würde die dringend benötigte externe Finanzierung und technische Hilfe für die Reformen bereitstellen. Unterm Strich ergibt sich eine Wachstumsschätzung von 1,7% für das laufende und 2,9% für das kommende Jahr (IWF: 2,2% und 1,6%). Das Hauptrisiko dürften Unruhen angesichts sozialer Härten sein, wie in der ganzen Region.

Die Türkei ist dagegen Kriegsgewinner als Transit- und Lieferland für Exporte nach Russland unter Umgehung der US-Sanktionen. Zusammen mit der expansiven Fiskalpolitik ergibt sich daraus ordentlich Schub und die Aussicht auf ein Wachstum 2022/23 von 4,5% und 3,5%, so die EBRD (IWF: 5,0% und 3,0%). Die Risiken liegen klar bei der Leistungsbilanz und der Finanzierung der Auslandsschulden.

Ägypten bietet sich als Zielland an. Bei der Türkei ist die gute Prognose mit beachtlichen Stabilitäts-Risiken verbunden.

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