Keine Feststimmung in Brasilien
Weniger als vier Wochen vor der Eröffnung der Olympischen Spiele steht die schwere Doppelkrise Brasiliens, mit einer tiefen Rezession und einer durch einen ausufernden, bis an die Grenzen der Selbstzerstörung getriebenen Machtkampf innerhalb der politischen Klasse, im Zentrum der Aufmerksamkeit. Beobachter erwarten eine „Olympische Katastrophe“ statt der Spiele.
„
Grund sind die desolaten Bedingungen in Rio de Janeiro: Sicherheitskräfte und Polizei haben zu Monatsbeginn mit Streiks gegen die ausbleibende Bezahlung protestiert, erste ausländische Sportler wurden bereits Opfer von Raub. Die lokalen Behörden sind aufgrund der sich hinziehenden Krise zahlungsunfähig und mussten mit einer Finanzspritze durch die Staatsregierung in Brasilia gestützt werden. Zudem liefern die Spiele keinen Beitrag gegen die Krise. Denn die entscheidenden wirtschaftlichen Impulse kamen im Vorfeld durch Investitionen in Sportstätten und Verkehrsinfrastrukturen. Die Umsätze aus Tourismus und dem Betrieb fallen demgegenüber bereits fühlbar ab.
Soweit die Bautätigkeit der letzten Jahre in Brasilien positive Impulse auslöste, wurden diese von den Negativfaktoren überkompensiert und konnten die scharfe Rezession (-3,8%) nicht stoppen. Schlimmer noch: Die vom Fall Petrobras ausgehenden Korruptionsermittlungen haben ergeben, dass es auch aus den Bauaufträgen im Zusammenhang mit den Spielen hohe Rückflüsse an die Politik gab. Es bestätigt sich einmal mehr: Der Korruptionsskandal betrifft nicht einzelne Personen oder Parteien, sondern die politische Klasse insgesamt.
Die fatale Wirkung: Die Glaubwürdigkeit der politischen Klasse insgesamt ist weitgehend zerstört, zumal auffällt, dass der suspendierten (und bald wohl auch abgesetzten) Präsidentin Dilma Rousseff Luftbuchungen im Etat zur Verschleierung des Defizits vorgeworfen werden, während ihre rechten Gegner sich im großen Stil persönlich bereichert haben. Daher sind die mittlerweile regierenden Rousseff-Gegner auch in erster Linie an einem Ende der Ermittlungen interessiert und konzentrieren ihre Initiative darauf, Reformen der letzten Jahre, wie etwa den verbreiterten Zugang zu höherer Bildung zurückzudrehen und die Position der etablierten Eliten zu sichern. Mit dieser Politik bleibt Brasilien in der „middle-income-trap“ stecken und die in der Handelsbilanz vom 1. Hj. erkennbaren Impulse werden verpuffen: V. a. dank der wieder funktionierenden Zusammenarbeit mit Argentinien konnte die Automobilindustrie um satte 50% zulegen. Diese Potenziale lassen sich aber nur mithilfe einer konsequenten Modernisierung nutzen, die die neuen Herren erklärtermaßen verhindern wollen. Von daher ist der Eindruck einer „wirtschaftsfreundlichen Wendung“ der Politik irreführend, der hinter dem Aufschwung von Währung und Börse steht. Der Markt ist nur für spekulativ orientierte Anleger interessant.
„