ICBC – Drohende Bankenkrise überlagert gute Zahlen
Gleich zweimal hat die ICBC-Aktie (0,54 Euro; A0M4YB; CNE1000003G1) im Frühjahr zu einer Erholung angesetzt und dabei jeweils den Corona-Einbruch komplett wieder ausgebügelt. Das erste Mal mit der Bekanntgabe der starken 2019er-Zahlen. Neben Gewinn (+4,9% auf 44,3 Mrd. Dollar), Assets (+8,7%) und Ertrag (+10,5%) glänzte vor allem die Kreditqualität mit einer gegenüber Vorjahr noch mal gesunkenen NPL-Quote von 1,43%.
Diese Größe stand auch Ende April bei den Q1-Zahlen im Fokus. Trotz Lockdown war sie unverändert. Auch der Gewinn legte abermals um 3% auf 12 Mrd. Dollar zu. Allerdings wächst die Sorge, dass Chinas Banken ein katastrophales zweites Halbjahr droht. Ende Juni läuft eine Corona-Ausnahmeregelung der chinesischen Bankenaufsicht aus, nach der Problemkredite nicht sofort als solche verbucht werden müssen. Auch wenn die Regel noch mal verlängert werden sollte, dürften Banken noch lange unter steigenden Wertberichtigungen leiden. S&P schätzt, dass die NPL-Rate branchenweit von 2% im März auf 10% Ende 2020 steigt. Dabei ist die offizielle Statistik mit Vorsicht zu genießen. Beim 2019er-Stresstest hatten bereits mehr als die Hälfte der geprüften 30 Institute Probleme, ihre Kapitalquote bei einem auf 4,15% gesunkenen Wirtschaftswachstum im erlaubten Rahmen zu halten. Nach einem BIP-Minus im Q1 dürfte China 2020 aber allenfalls 2% Plus schaffen.
Kummer machen zwar vor allem die kleinen Banken. Die großen Vier der Branche mit ICBC an der Spitze können dabei aber nicht wegsehen. Schon letztes Jahr musste die halbstaatliche ICBC für 400 Mio. Dollar Anteile an der gestrauchelten Jinzhou Bank übernehmen. Ebenso auf staatlichen Wunsch und gegen die inoffizielle Empfehlung der Aufsicht werden auch wieder rd. 30% des Gewinns als Dividende ausgekehrt. Im Q1 sank die CET 1 um fünf Punkte auf 13,15%. Damit und dank gutem Kostenmanagement, konsequenter Abschreibung von NPL und ausgewähltem Wachstum ist ICBC aus unserer Sicht immer noch der Top-Pick der Branche. Dem drohenden Stimmungsabschwung wird sich die Aktie, die seit letzter Woche noch mal massiv abgegeben hat und jetzt nahe unseres Stopp-Kurses notiert, aber kaum entgegenstemmen können. Daneben droht Chinas Banken auch aus den USA, wo Donald Trump seinen Wahlkampf füttert, weiterer Kummer (erschwerte Dollar-Refinanzierung). Dass vor wenigen Tagen der Schnaps-Konzern Kweichow Moutai ICBC als teuerstes Unternehmen im Reich der Mitte abgelöst hat, passt ins Bild.
Wir warten die weitere Entwicklung ab und bleiben bei Halten, unveränderter Stopp: 0,53 Euro.