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Estland – Strukturwandel im IT-Sektor

In den vergangenen zehn Jahren war die IT- und Kommunikationsbranche das Aushängeschild der estnischen Wirtschaft. Ein Beispiel ist das Softwareunternehmen Helmes, das von Tallinn aus mit rund 1.500 Mitarbeitern ein globales Netzwerk von 20 Standorten aufgebaut hat.

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HTML Programmiercodes © Boskampi; Pixabay

Die Entwicklungszentren befinden sich in Estland, Lettland, Litauen und Polen, die Supportbüros sind über Nord- und Südamerika, Afrika und Asien verteilt. Das (noch) private Unternehmen hat im Jahr 2023 mit einem Umsatz von 101,3 Mio. Euro die 100-Mio.-Euro-Grenze überschritten, was einer Steigerung von 9,6% zum Vorjahr entspricht.

Das EBITDA von Helmes lag 2023 bei 13 Mio. Euro und der Nettogewinn bei 9,9 Mio. Euro. Die wichtigsten Märkte des Unternehmens waren bisher Estland, Litauen, Lettland, Großbritannien, Deutschland, die USA, Schweden, Frankreich und Finnland, wo Kunden wie Airbus, Telia, Kühne+Nagel, CERN, die Europäische Weltraumorganisation ESA oder die OECD mit Softwarelösungen beliefert wurden. Eine Erfolgsgeschichte, die zum Image Estlands passt.

Doch hinter den Kulissen vollzieht sich in der gesamten Branche ein Wandel: Die Zahl der Arbeitsplätze in den Softwarehäusern beginnt zu schrumpfen, wie neuere offizielle Daten von Statistics Estonia zeigen. Von insgesamt rund 36.000 Arbeitsplätzen (davon zwei Drittel in der Programmierung und Kundenberatung) sind netto 600 verschwunden, das sind weniger als 2%.

Allerdings geht dieser Rückgang mit einer Altersverschiebung einher: Die Zahl der 20- bis 29-Jährigen ist in den letzten zwei Jahren um fast 20% zurückgegangen, während die Gruppe der 40- bis 69-Jährigen ebenso deutlich gewachsen ist: Die Softwarehäuser erleben ihren eigenen demografischen Wandel. Die Belegschaften altern, weil die Erneuerung durch die Rekrutierung Jüngerer deutlich langsamer erfolgt.

Branchen-Analysten sehen dennoch keinen Niedergang der IT-Branche, sondern eher einen Strukturwandel: Vor allem junge Programmierer wandern vom IT-Sektor in andere Branchen ab, wo ihre Dienste gefragt sind und arbeiten weniger in traditionellen Software-Schmieden wie etwa Helmes, sondern direkt bei Unternehmen, die die IT-Lösungen anwenden.

Ganz vorne stehen dabei die Finanzdienstleister und unter diesen die Banken sowie der Energiesektor. Hinzu kommt der Unterhaltungsbereich mit seinem Bedarf an immer neuen Spielen und Unterhaltung in den sozialen Medien oder der Bedarf durch Automatisierung und Digitalisierung der verarbeitenden Industrie. Dieser Trend wird das Gewicht der „IT-Kompetenz“ in der Bewertung von Unternehmen deutlich erhöhen. mk

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