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Brasilien – Vorerst keine neuen Überraschungen

Nunmehr wird der ehemalige Präsident Lula da Silva formell wegen Korruption und Geldwäsche angeklagt. Allerdings verdichten sich die Anzeichen, dass die seit Mai amtierende rechte Regierung Brasiliens um Präsident Michel Temer mit dieser Ankündigung vor allem darauf abzielt, die öffentliche Aufmerksamkeit von einer wichtigen Personalie abzulenken: Der erst im Mai von Temer ernannte Generalstaatsanwalt Fabio Medina Osorio wurde entlassen. Grund war nach dessen Darstellung seine Weigerung, die Ermittlungen im Fall Petrobras zu „beerdigen“.

Daraufhin habe ihm Eliseu Padilha, Minister des Präsidialamtes und Stabschef des Präsidenten erklärt, dass er „gefeuert“ sei. Inzwischen wurde die Bundesanwältin Grace Maria Fernandez Mendonca zur neuen Generalstaatsanwältin ernannt. Damit scheint jetzt sichergestellt, dass auch der selbst unter Korruptionsverdacht stehende Temer keine Ermittlungen mehr zu befürchten hat. Nur zwei Wochen nach der endgültigen Amtsenthebung der gewählten Präsidentin Dilma Rousseff dürften die Ermittlungen rund um die illegale Parteienfinanzierung durch Kickbacks bei Aufträgen des staatlichen Ölkonzerns Petrobras abgewürgt werden, soweit sie sich gegen Mitglieder der neuen Regierungsmehrheit richten. Es mussten bereits drei Minister der neuen Regierung wegen der Verwicklung in den Skandal gehen. Diese Vorgänge bestätigen das Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber der neuen Regierung, die derzeit nicht die geringste Chance hätte, durch Wahlen bestätigt zu werden. Indes stehen Wahlen erst 2018 an. Bis dahin soll ein Reformprogramm für neues Wachstum sorgen und damit Zustimmung für die durch Koalitionswechsel entstandene neue Regierung.

Das Reformprogramm setzt zunächst auf umfangreiche Privatisierungen. So sollen staatliche Einrichtungen und Unternehmen wie Flughäfen, Eisenbahnlinien und Straßen oder Kraftwerke und Netzbetreiber verkauft werden. Zudem sollen auch Lizenzen für die Ölförderung und anderen Abbau von Rohstoffen verauktioniert werden. Umfangreiche Privatisierungserlöse würden es erlauben, das aus dem Ruder gelaufene Staatsdefizit einzudämmen, ohne die Rezession durch harte Schnitte noch zu verschärfen. Allerdings sind bereits Kürzungen im staatlichen Renten- und im Bildungssystem angekündigt. Indes scheint der Regierung aber nicht nur die politische Zustimmung abhanden zu kommen, auch die Investoren bekommen offenbar langsam kalte Füße. Der starke Aufwärtstrend der Börse und der Währung im Vorfeld der Amtsenthebung Rousseffs ist entsprechend unseren Erwartungen bereits abgerissen, der Aktienindex BOVESPA steht fast 5% unter seinem Höchstpunkt, der Real gab zum Euro etwas mehr als 3% ab. Das Risiko auch kurzfristiger Engagements ist stark gestiegen, da derzeit die Risiken durch die politische Instabilität deutlicher hervortreten. Engagements in Brasilien sind vorerst unattraktiv. Die Märkte Argentiniens sind derzeit eindeutig vorzuziehen.

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