So uneinig sind sich die DAX-Chefs
Die Berichtssaison für das erste Quartal 2025 hat ihr Ende erreicht. In den Earnings-Calls zeichneten die DAX-CEOs ein vielschichtiges Stimmungsbild – teils mit Überraschungen.

Zunächst aber zur Ausgangslage: Der Umsatz der DAX-Konzerne stieg im Q1 um insgesamt 3,3% und damit schwächer als in den USA mit 4%. Indes gingen die Gewinne laut EY-Studie – wegen schwacher Ergebnisse im Autosektor – um 8% zurück. Ohne die Autobauer ergab sich ein Gewinnplus von 4%. Damit wuchs die deutsche Wirtschaft aber stärker als erwartet: Das BIP stieg um 0,4 % statt der prognostizierten 0,2%, wie das Statistische Bundesamt am Freitag (23.5.) mitteilte.
Wie unsicher aber die Prognosen aufgrund von Donald Trumps Zollpolitik ausfallen, zeigt die Stimmung in den deutschen Vorstandsetagen. So zeichnen die aktuellen Stimmungsindikatoren ein recht widersprüchliches Bild: Der Einkaufsmanagerindex (PMI) von S&P Global und HCOB für die Privatwirtschaft ist im Mai um 150 Basispunkte auf 48,6 Punkte gefallen – und damit unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Grund sei vor allem die beschleunigte Schwäche im Servicesektor. Gleichzeitig legte der ifo-Geschäftsklimaindex am Donnerstag zum fünften Mal in Folge zu – um 60 Basispunkte auf 87,5 Punkte. Während sich die Nahrungsmittelindustrie zuversichtlich zeigt, erholt sich der Transport- und Logistiksektor allmählich. Die Chemiebranche bleibt jedoch unter Druck. Auch der ZEW-Index stieg zuletzt – gestützt von Fortschritten in den Zollverhandlungen und einer stabileren Inflationsentwicklung.
US-Zölle belasten laut CEOs das Geschäft
Konkreter äußern sich die CEOs: „Was wir nicht gebrauchen können, als Exportnation, sind steigende Handelshindernisse“, warnte im April Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender von Mercedes-Benz. Die Stuttgarter hatten bei Vorlage der Q1-Zahlen auf einen Ausblick auf das Gesamtjahr verzichtet. Ebenso unsicher der Ausblick der Zulieferer: „Von Marktseite rechnen wir auch in diesem Jahr nicht mit Rückenwind“, fasste Continental-CFO Olaf Schick zusammen. Denn wie sich Trumps US-Zölle zukünftig auswirken, bleibe unklar.
Konkreter wurde Konkurrent BMW: „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Zölle auf Dauer in Kraft bleiben“, äußert sich Chef Oliver Zipse. „Bereits ab Juli dürfte die Belastung sinken“, erwartet sein Finanzchef Walter Mertl.
Ein Hauch blinder Zuversicht liegt auch in den Aussagen von Volkswagen: „Unser größter Hebel ist es, in den Regionen der Welt zu investieren, für Beschäftigung zu sorgen und Partnerschaften zu schließen“, erklärte Oliver Blume. „Für Audi würde eine US-Produktion im Rahmen unserer Strategie ein Entwicklungsschritt sein.“ Gleichzeitig unterstützt Volkswagen Joint-Venture-Partner Rivian mit Milliarden und bekommt dafür Zugang zur Elektronik-Architektur des Tesla-Rivalen.
Die Handelskonflikte belasten die Konjunkturerwartungen massiv, tönt es aus dem Chemiesektor: „Die Verunsicherung und Vorsicht bei den Kunden wächst“, erklärte etwa BASF-CFO Dirk Elvermann. Und dennoch gibt sich der Manager zuversichtlich: „Der hohe Anteil an lokaler Produktion ist der Grund, warum die direkten Auswirkungen der Zölle auf BASF wahrscheinlich überschaubar bleiben.“
Big Pharma hingegen landete erst ganz frisch in Trumps Visier: „Dauerhaft hohe Zölle würden letztendlich auch die Forschungskraft der gesamten Branche bedrohen“, warnte Bayer-Chef Bill Anderson jüngst im „Handelsblatt“-Interview. „Wenn man jetzt anfängt, in jedem Land Wirkstoffe zu produzieren, würden die Kosten erheblich steigen“, fuhr er fort. Wie sich die Zollpolitik Trumps konkret auf die Branche auswirken würde, haben wir uns jüngst angeschaut.
Auch Sportartikelhersteller Adidas äußerte sich kritisch zur aktuellen Lage – mit einem Funken Optimismus: „In einer normalen Welt”, so Firmenchef Björn Gulden, „hätte der Konzern den Ausblick nach so einem Q1 angehoben.“
Vorsichtigere Töne kommen derweil von Hugo Boss-Chef Daniel Grieder: „Die Verbraucher sind verunsichert und mit ihren Ausgaben zunehmend vorsichtiger.“ Hugo Boss erzielt in den USA 15% der Umsätze und besitzt dort noch keine eigenen Produktionsstätten. Die Waren kommen größtenteils aus Europa und zu einem kleineren Teil China.
Es gibt sie, die Profiteure
Trotz der großen Verwerfungen im Zuge des Zollstreits, äußerten sich jüngst auch Unternehmen positiv zur eigenen Situation. So sieht Christian Sewing seine Deutsche Bank „gerade in unruhigen Zeiten richtig aufgestellt“.
Siemens Energy äußerte sich verhalten optimistisch: „Für die zweite Hälfte des Geschäftsjahres 2025 wird derzeit von einer begrenzten direkten Belastung des Ergebnisses bis zu einem hohen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag ausgegangen.“ Man werde die erhöhten Kosten durch Preissteigerungen auffangen.
Aufgrund ihres kleineren US-Exposures äußern sich die MDAX und SDAX-Konzerne positiver. „Freenet befindet sich aufgrund der reinen Fokussierung auf Deutschland zurzeit in einer besseren Position als der Durchschnitt der börsennotierten Unternehmen, in Bezug auf die aktuellen weltwirtschaftlichen Umwälzungen“, hieß es bei Vorlage der Q1-Zahlen.
Metallrecycler Aurubis sieht sich sogar als möglicher Profiteur: „Durch die von den USA ausgelösten internationalen Zollstreitigkeiten sieht Aurubis kaum direkte Auswirkungen“, hieß im Analysten-Call. Allerdings würden Einfuhrzölle auf Kupfer in den USA die Nachfrage nach heimischer Kupferherstellung erhöhen, wovon Aurubis indirekt profitiere, die Kunden womöglich aber einen massiven Schaden erlitten.
Auch Chemiker Alzchem blickt optimistisch in die Zukunft: „Viele Alzchem-Produkte stehen in den USA auf der Ausnahmeliste und werden somit nicht mit Zöllen belegt“, erklärt Alzchem-CFO Andreas Lösler. In den USA setzt Alzchem 16% der Umsätze um, in Europa 65%. Gleichzeitig sieht er im Güllezusatzstoff Eminex einen wahren „Game Changer“ für die Zukunft.
Für die Bewertung der Gewinnaussichten deutscher Unternehmen bleibt das US-Exposure ein zentraler Faktor.