Die Stimmung auf den Chefetagen – Wachstumsinseln zwischen Zöllen und Preisdruck
Die Konjunkturampeln blinken gelb – doch wie klingt das direkt aus den Führungsetagen? Wir haben die Kernaussagen der DAX-Vorstände zu US-Zöllen, Währungseffekten, Preisdruck, Produktivität und Lokalisierung zusammengestellt.

Während sich das ifo-Geschäftsklima im August leicht aufhellt, trüben sich die ZEW-Konjunkturerwartungen schon wieder ein. Dabei bleibt jedoch offen, welche Themen die Führungsetagen konkret umtreiben. Welche Sorgen und Hoffnungen haben die DAX-Chefs nach einem herausfordernden ersten Halbjahr?
Die Themen ähneln sich dabei: US-Zölle, Währungseffekte und Preisdruck bestimmen die Diskussion. Auch die Antworten auf die Herausforderungen kommen wie aus einem Mund: Wertschöpfung lokalisieren, bei den Preisen flexibel bleiben und die Produktivität steigern. Für 2025 gilt: Die DAX-Konzerne fahren „auf Sicht“, verbleiben aber nicht im Leerlauf.
Dennoch zeigen sich mit Blick auf die Sektoren jedoch ein paar bedeutsame Unterschiede.
Sektoren im Überblick
Wer den Schmerz spürt:
- Automobilhersteller & Industriezulieferer: Die Automobilbranche kämpft mit Milliardenbelastungen durch Donald Trumps Strafzölle und setzen auf Lokalisierung: „US-Zölle haben den Konzern bislang mehrere Milliarden Euro gekostet“, heißt es etwa von Volkswagen-Chef Oliver Blume – verbunden mit der klaren Konsequenz, das „Geschäft dort zu lokalisieren“. Zulieferer kontern den Preisdruck durch Produktivitätssteigerungen: „Wir sehen weiteren Preisdruck, erwarten aber, ihn durch Produktivitätssteigerungen auszugleichen“, so formuliert es Katja Garcia Vila, Finanzchefin bei MTU Aero.
- Gesundheit & Medizintechnik: Die Belastungen sind deutlich zu spüren. Siemens-Healthineers-CFO Jochen Schmitz: „Für 2025/26 sind Belastungen von 400 bis 500 Millionen Euro die realistischste Annahme“ – Preise und Wertschöpfungsverschiebung sollen das ausgleichen. Fresenius und Sartorius setzen auf Resilienz und gezielte Investitionen.
- Konsum & Marken: Die US-Zölle können kaum weitergegeben werden und treffen die Margen direkt. Adidas-CEO Bjørn Gulden: „Preiserhöhungen sind nicht überall vermeidbar.“ Optimistischer bleibt der nicht-zyklische Konsum: Henkel-CEO Carsten Knobel ordnet den US-Konsumenten ein: „Wir sehen derzeit eine gewisse Zurückhaltung bei der Nachfrage in den USA.“ Die Antwort sind selektive Preisanpassungen, ein besserer Produkt-Mix und ein striktes Kostenmanagement.
Wer auf Zeit spielt:
- Industrie & Maschinenbau: Siemens-CFO Ralf P. Thomas sieht bei den Kunden eine gewisse Zurückhaltung, erwartet aber nicht, „dass das anhält“. Heidelberg-Materials-CEO Dominik von Achten spricht sogar von einer „enormen hereinkommenden Nachfrage“.
- Energie & Versorger: Der Sektor könne „die Belastungen kompensieren, aber es ist schmerzhaft“, so die Einschätzung von Siemens-Energy-CEO Christian Bruch. „Den genauen Einfluss können wir nur schätzen.“ E.On-CEO Leonhard Birnbaum geht es derweil um die Standortqualität: „Während andere Länder gezielte regulatorische Anreize schaffen, droht Deutschland zurückzufallen.“
- Finanzinstitute und Assekuranz: Deutsche-Bank-CEO Christian Sewing: „Entscheidungen werden verzögert, aber nicht abgesagt.“
Wer sich Hoffnungen macht:
- Technologie & Software: Cloud- und KI-Geschäft liefern weiterhin strukturelles Wachstum. SAP-CEO Christian Klein: „Unternehmensabläufe treten in eine neue Ära ein; SAP ist am besten positioniert, davon zu profitieren.“ Infineon-CEO Jochen Hanebeck erklärte, die im Mai veröffentlichte Prognose – wonach die Zölle zu einem Umsatzrückgang von 10% im vierten Quartal führen würden – sei zu pessimistisch gewesen. Die Auswirkungen im bis Ende September laufenden Quartal „werden weniger ausgeprägt sein als erwartet“, sagte Hanebeck.
- Telekommunikation & Logistik: Der Sektor bleibt Stabilitätsanker im DAX. Deutsche-Telekom-CEO Tim Höttges: „Wir produzieren immer regional — somit fallen keine Zölle an.“ In der Logistik wird die Weltkarte neu sortiert. DHL-Group-CEO Tobias Meyer: „Die Handelsrouten werden sich verändern, und sie werden komplexer werden.“
Fazit: Die Unternehmen reagieren auf Zölle, Währungsschwankungen und Preisdruck mit stärkerer Lokalisierung, Effizienzmaßnahmen und selektiven Preisanpassungen. Insgesamt bleiben die Erwartungen der Unternehmenslenker für 2025 eher verhalten. Viele sehen Belastungen, nur wenige erkennen neue Chancen.