Cliq Digital – Ehrgeizig, aber mit Risiken behaftet
Mit den vorläufigen Eckdaten für 2021, v. a. aber mit dem Ausblick auf 2022 hat Cliq Digital am Dienstag (1.2.) für mächtig Furore gesorgt: Die Aktie kletterte seither um fast 20%.
Dabei ist der ehrgeizige Ausblick aufs laufende Jahr sogar noch konservativ, wie uns Vorstandsmitglied Ben Bos im Interview erklärte.
Doch zuerst der Blick in den Rückspiegel: Im Q4 drehte v. a. das Europa-Geschäft (Umsatz: +67%; Anteil 2020: 45%) des globalen Streaming-Anbieters mächtig auf, sodass die Erlöse 2021 um 40% auf 150 Mio. Euro und damit über das gesetzte Ziel von 145 Mio. Euro hinaus anzogen. Ben Bos wertet die Entwicklung in Europa als Bestätigung der Strategie: „Wir haben Ende 2020 beschlossen, das in den USA erfolgreiche Medien-Einkaufsteam zu erweitern und auch in Europa einzusetzen. Das zahlt sich jetzt aus und wird sich auch künftig auszahlen.“ Dabei bleibt Cliq trotz gestiegener Marketingausgaben (54 Mio. nach 34 Mio. Euro im Vj.) sehr profitabel. Das EBITDA lag mit 27 Mio. Euro um 70% über Vj. (16 Mio. Euro) und über der Guidance (26 Mio. Euro). Die Marge kletterte um 300 bps. auf 18% (Vj.: 15%).
„Wichtig dabei ist, dass der Löwenanteil der Marketing-Ausgaben am Jahresende getätigt wurde. In gewisser Weise ist das eine Investition ins Jahr 2022 gewesen und wird unseren Umsatz in diesem Jahr befeuern.“ Der soll laut Boss erneut um 40% auf mehr als 210 Mio. Euro klettern, was über der bisherigen Erwartung der Analysten liegt. Beim EBITDA sind mindestens 33 Mio. Euro einkalkuliert, wodurch die Marge auf 15,7% fallen würde. Wir könnten uns gut vorstellen, dass die Düsseldorfer hier bewusst zurückhaltend kommunizieren, um den Markt überraschen zu können. Ben Bos verweist zudem auf die geplanten Investitionen in neue Märkte und Inhalte, die Druck auf die Marge ausüben werden: „Wir mögen es jedenfalls, mit einer zurückhaltenden Guidance ins Jahr zu starten.“ Stichwort neue Märkte: Bos kündigte an, dass Cliq „demnächst“ den Markteintritt in einem Land in Lateinamerika ankündigen wird.
Gelassen zeigt sich Bos bei der Frage nach der Achillesferse der jüngsten Vergangenheit: Die Kundenbindung beträgt weiterhin nur etwa sechs bis acht Monate. Aber die Kunden kämen immer wieder zu Cliq Digital zurück. „Anders als viele Wettbewerber haben wir gelernt, damit umzugehen und mit jedem Kunden in den ersten sechs Monaten einen Gewinn zu erzielen.“ Der Cliq-Faktor, der den erwarteten Umsatz je Kunde in Relation zu den Kosten der Akquise setzt, lag 2021 immer noch bei 1,59 (2020: 1,68) – für jeden Euro in der Akquise erhält Cliq also 1,59 Euro an Umsatz.
Bleibt die Frage der Bewertung. Durch die jüngste Gegenbewegung wird die Aktie (24,55 Euro; DE000A0HHJR3) wieder mit einem 2023er-KGV von 8 bewertet. Der 5-Jahresschnitt liegt bei 11, vor dem Corona-Schub handelte das Papier zumeist auf dem 9-Fachen des erwarteten Gewinns. Am 1.3. will Bos erstmals einen mittelfristigen Ausblick geben: Der wird Aufschluss darüber geben, ob Cliq Digital mehr ist als nur ein Corona-Profiteur und die optimistischen Analystenschätzungen (Umsatz: +28% p. a. bis 2023; EPS: +50% p. a. bis 2023) rechtfertigen kann. Trotz eines zuletzt stabilen freien Barmittelzuflusses und einer schuldenfreien Bilanz fehlt für konservative Anleger sicherlich noch der langfristige Trend eines profitablen, von Sondereinflüssen unabhängigen Wachstums.
Daher empfehlen wir nur risikobewussten Anlegern, bei Cliq Digital wieder einzusteigen. Der Stopp landet mit 17,70 Euro etwas weiter weg als üblich.