Kartellverstöße – Eltern haften für ihre Kinder

Verstöße gegen das Kartellrecht können zu hohen Bußgeldern führen. Das gilt vor allem für Kartellverstöße, die innerhalb von Konzernstrukturen begangen werden. Denn nach europäischem – und seit 2017 auch nach deutschem – Kartellrecht kann die Muttergesellschaft für Verfehlungen eines ihrer Tochterunternehmen mit einem Bußgeld belegt werden, auch wenn sie selbst am Kartell nicht aktiv beteiligt war oder von den Machenschaften ihrer Tochter nichts wusste. Auch das Umgehen einer Bußgeldhaftung durch geschickte Umstrukturierungen innerhalb des Konzerns, ist nicht mehr möglich. Worauf Konzernlenker achten sollten, erläutern Daniel Dohrn und Simon Spangler, Partner der Kanzlei Oppenhoff.

Nach europäischem Kartellrecht kann die EU-Kommission auch Bußgelder gegen die Mutter für eine Zuwiderhandlung der Tochter verhängen, selbst wenn kein aktiver Beitrag der Mutter am Kartell vorliegt. Zuständig ist die Kommission immer dann, wenn sich Kartellabsprachen grenzüberschreitend auf Märkten innerhalb der EU ausgewirkt haben. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) knüpft die Haftung der Muttergesellschaft an das Vorliegen einer „wirtschaftlichen Einheit“ mit der am Kartell beteiligten Tochter. Diese liegt vor, wenn die Muttergesellschaft über einen bestimmenden Einfluss beim Tochterunternehmen verfügt und diesen auch tatsächlich ausübt. Ein bestimmender Einfluss wird bei einer (mittelbaren) 100%-Beteiligung der Mutter an der Tochter (widerleglich) vermutet, bei niedrigeren Beteiligungen muss die Kommission diesen erst nachweisen. Allerdings kann schon das Vorliegen einer Weisungsbefugnis der Muttergesellschaft ausreichend sein. Liegt eine „wirtschaftliche Einheit“ vor, kann die Kommission beide Unternehmen mit einem Bußgeld belegen. Mutter und Tochter haften dann als Gesamt-schuldner. Kommt die Mutter für das gesamte Bußgeld auf, hat aber selbst keinen Beitrag zum Kartell geleistet, kommt ein Regress der Mutter gegenüber ihrer Tochter in Betracht.

Deutscher Gesetzgeber adaptiert EU-Regelungen

Die bis 2017 bestehenden Regelungslücken im deutschen Recht (besser bekannt als so genannte „Wurstlücke“, s. a. PLATOW Recht v. 9.8.17) wurden im Zuge der jüngsten Gesetzesnovelle geschlossen. Mit der 9. GWB-Novelle gilt nunmehr auch im deutschen Kartellbußgeldrecht eine Konzernhaftung nach europäischem Vorbild. Gemäß § 81 Abs. 3a GWB soll neben dem Unternehmen, das aktiv am Kartell beteiligt war, auch gegen „weitere juristische Personen […], die auf die juristische Person […], deren Leitungspersonal die Ordnungswidrigkeiten begangen hat, unmittelbar oder mittelbar einen bestimmenden Einfluss ausgeübt haben, eine Geldbuße festgesetzt werden“ können. Wie im europäischen Recht erstreckt sich die Haftung also auf das (Mutter-)Unternehmen, das bestimmenden Einfluss auf den Delinquenten hat.

Bußgeldhaftung trotz Umstrukturierung

Im europäischen Kartellrecht schützen konzerninterne Umstrukturierungen seit jeher nicht vor Sanktionen, da strukturelle Änderungen nichts an der Haftung der „wirtschaftlichen Einheit“ ändern. Ebenso bleibt in Fällen der Unternehmensnachfolge (z. B. nach einem Verkauf der tatbeteiligten Tochtergesellschaft an einen Dritten) eine Haftung der „alten“ Mutter für die vergangenen Verstöße der Tochtergesellschaft bestehen. Wird allerdings der Kartellverstoß durch die Tochtergesellschaft über den Zeitpunkt der Übernahme hinaus fortgeführt, haftet fortan (auch) die neue Muttergesellschaft als Gesamtschuldnerin. Nach dem EuGH ist in diesem Fall die Haftungsquote zwischen ehemaliger und neuer Muttergesellschaft aufzuteilen. Vorsicht ist außerdem auf Seiten eines Erwerbers geboten, wenn er beabsichtigt, die wesentlichen Vermögenswerte eines Unternehmens z. B. im Rahmen eines Asset Deals zu erwerben und die Geschäftstätigkeit des Zielunternehmens auf diese Weise fortzusetzen. War das Zielunternehmen an einem Kartell beteiligt, kann der Erwerber nämlich auf Grund des im EU-Kartellrechts anerkannten Grundsatzes der „wirtschaftlichen Kontinuität“ u. U. selbst für diesen Kartellverstoß haften.

Fazit

Auch nach deutschem Kartellrecht ist es nicht mehr möglich, einem Bußgeld durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen zu entgehen. Hierzu wurde § 81 GWB um mehrere Absätze erweitert. Neben der oben behandelten Einführung einer Konzernhaftung für Kartellrechtsverstöße ist nun auch eine Bußgeldhaftung für den Rechtsnachfolger in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge und partiellen Gesamtrechtsnachfolge durch Aufspaltung möglich. Eine Haftung des Rechtsnachfolgers auf Grund des oben erwähnten Prinzips der „wirtschaftlichen Kontinuität“ wurde ebenfalls eingeführt. Dieser Fall erfasst nicht nur die Haftung des Erwerbers für Kartellverfehlungen des Zielunternehmens nach einer Vermögensübertragung im Wege des Asset Deals, sondern auch (konzerninterne) Abspaltungen oder Ausgliederungen. Die Bußgeldhaftung dürfte damit künftig wohl nicht mehr zu umgehen sein.

 

***Dieser Text basiert auf einem Beitrag der Autoren im Rechtshandbuch „Deutsche Tochter im internationalen Konzern“, das 2019 im Beck-Verlag erschienen ist (ISBN 978-3-406-70849-7).

{{ name }} Chart
{{ name }} Aktie auf wallstreet:online

ARTIKEL DIESER AUSGABE

20. Februar 2019

Heuking erstellt Cyber-Studie für BSI

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat die Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek mit der Erstellung einer umfassenden Studie beauftragt. Gegenstand der Erhebung... mehr

20. Februar 2019

Dainese gewinnt Patentrechtsstreit mit Hogan Lovells

Unter Leitung ihres Münchener Partners Steffen Steininger (Gewerblicher Rechtsschutz, München) hat Hogan Lovells für Dainese, einen der weltweit führenden Hersteller von u. a. Motorsportbekleidung,... mehr