Keine Panik, wenn Chapter 11 eingeläutet wird

"Zahlreiche deutsche Unternehmen erhalten in diesen Tagen Post von US-amerikanischen Konkursgerichten. Darin werden sie über den Antrag einer ihrer Kunden oder Geschäftspartner auf Eröffnung eines Konkursverfahrens nach Abschnitt 11 der US-Konkursordnung, dem so genannten Chapter 11-Verfahren, unterrichtet. Deutschen Gesellschaften stellen sich zahlreiche Fragen, gerade weil es im deutschen Recht kein vergleichbares Verfahren gibt. Denis Gebhardt, Partner bei Beiten Burkhardt, erläutert, wie Unternehmen mit der Flut von Schriftsätzen, Fristen und Aufforderungen umgehen sollten."

Ziel des Chapter 11-Verfahrens ist nicht die Liquidation des insolventen Unternehmens, sondern seine Reorganisierung und Restrukturierung. Der Schuldner kann das Verfahren einleiten, ohne dass es zwingend eines Insolvenzgrundes, z. B. Zahlungsunfähigkeit, bedarf. Solange das Verfahren läuft, dürfen die Gläubiger keine rechtlichen Schritte zur Eintreibung ihrer Forderungen einleiten. Dadurch erhält das insolvente Unternehmen Luft zur Durchführung seiner Reorganisation.

Gläubiger haben ein Mitspracherecht

Einer der ersten Schritte des Verfahrens ist die Bildung eines Gläubigerkomitees, das aus den Gläubigern mit den sieben höchsten Forderungen bestehen soll. Es kann sinnvoll sein, in diesem Ausschuss mitzuwirken, wenn es dem Gläubiger darum geht, aktiv bei der Bestandsaufnahme und Überwachung des insolventen Unternehmens sowie der Erarbeitung eines Reorganisationsplans mitzuarbeiten. Allerdings ist die Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss zeit- und kostenaufwendig, insbesondere, wenn sie vom Ausland aus erfolgt. Deutsche Unternehmen verzichten daher oft auf die Teilnahme. Im Zusammenhang mit dem Gläubigerkomitee, aber auch zu anderen Fragen, z. B. ob das insolvente Unternehmen einen Anwalt beauftragen oder Zwischenfinanzierungsverträge abschließen darf, werden üblicherweise gerichtliche Anhörungen angesetzt. Hierüber werden die Gläubiger schriftlich informiert. Die Teilnahme an solchen Anhörungen – entweder persönlich oder durch einen Anwalt – ist in den meisten Fällen nicht erforderlich, um sich seine Rechte zu bewahren. Dennoch sollte die gerichtlichen Mitteilung sorgfältig geprüft werden, um einen Rechtsverlust zu vermeiden.

Rückgabe von Waren

Hat das deutsche Unternehmen Waren geliefert, kann es daran interessiert sein, diese nach Eintritt der Insolvenz zurückzuerhalten. Auf den vielfach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Eigentumsvorbehalt kann es sich dabei jedoch nicht verlassen, denn dieser ist nach US-amerikanischem Recht nicht wirksam. Allerdings gibt es eine Regel im Konkursgesetz, wonach eine Rückgabe gefordert werden kann, sofern sie innerhalb von 20 Tagen nach Konkursantragstellung geltend gemacht wird und sich auf Waren bezieht, die innerhalb von 45 Tagen vor Antragstellung geliefert wurden. Über dieses Recht erhalten Gläubiger jedoch keine schriftliche Information, so dass sie die Frist häufig überschreiten. Wurden die Güter innerhalb von 20 Tagen vor der Antragstellung geliefert, verbleibt dem Gläubiger jedoch noch eine andere Option. In diesem Fall genießt die aus der Lieferung resultierende Forderung Priorität im Hinblick auf die Höhe der Befriedigung. Die Geltendmachung der Priorität wird regelmäßig mit einer Ausschlussfrist verbunden, über welche der Gläubiger schriftlich informiert wird. Hält der Gläubiger die Frist nicht ein, führt dies zum Verlust der vorrangigen Rechte. Folglich fallen die Forderungen des Gläubigers dann zurück in den Topf mit den übrigen Forderungen. Dadurch werden sie in den meisten Fällen nur mit einer geringeren Quote befriedigt.

 

Einstieg eines Investors

Angesichts der großen Zahl an Dokumenten, die der Gläubiger innerhalb eines kurzen Zeitraums erhält, kommt es leicht zur Verwechslung von Fristen. Wie auch in Deutschland muss die Forderung unabhängig von einer bestehenden Priorität generell zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Hierfür bestimmt das Insolvenzgericht eine Frist, die so gut wie immer erst nach der für die Priorität maßgeblichen Frist endet. Verwechslungsgefahr besteht auch im Zusammenhang mit dem Angebot eines neuen Investors zur Übernahme von Forderungen. Es ist ein möglicher Verfahrensausgang, dass ein Geldgeber im Rahmen des Reorganisationsplans das insolvente Unternehmen erwirbt. Dies wird er jedoch nur tun, wenn zuvor mit den für den Geschäftsbetrieb als unverzichtbar eingestuften Lieferanten eine Einigung über den Fortbestand der Lieferbeziehung erzielt wurde. Verständlicherweise stehen die Lieferanten dem zurückhaltend gegenüber, denn durch den Insolvenzantrag geht ihr Vertrauen in die finanzielle Stärke ihres Vertragspartners gegen Null. Um Vertrauen wieder herzustellen, bietet der Investor den Lieferanten an, ihre Forderungen zum überwiegenden Teil zu bedienen. Um über die Bereitschaft der Lieferanten Gewissheit zu erlangen, wird auch dieses Angebot befristet. Diese Frist darf nicht mit den Fristen zur Geltendmachung der gesetzlich gewährten Priorität oder zur Anmeldung der Forderung verwechselt werden. Bis zu seinem Abschluss füllt das Chapter 11-Verfahren bei dem deutschen Gläubiger mehrere Ordner. Es kann sich jedoch lohnen, diese Dokumente sorgfältig durchzusehen, denn die Chancen auf eine halbwegs einträgliche Befriedigung der Forderung sind im Vergleich zu einem Insolvenzverfahren in Deutschland vergleichsweise gut.

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