Banken – Luft für „Risikoträger“ wird dünner

"Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung führt unter der Überschrift „Gute Arbeit"" eine Reihe geplanter Änderungen zur Befristung von Arbeitsverhältnissen auf. Etwas weiter hinten im Koalitionsvertrag, versteckt unter der Überschrift „Finanzmarkt und Digitalisierung"", finden sich gar Pläne für eine Lockerung des Kündigungsschutzes für die so genannten Risikoträger. Sie sollen im Kündigungsschutzgesetz leitenden Angestellten gleichgestellt werden, was den Standort Deutschland vor allem mit Blick auf den bevorstehenden Brexit attraktiver für Finanzinstitute machen soll. Auf welche Änderungen sich die Banker nun einstellen müssen, hat sich Anja Lingscheid, Arbeitsrechtlerin bei Herbert Smith Freehills, genauer angeschaut."

Eine Abkehr vom Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses nach dem Kündigungsschutzgesetz wäre eine Zäsur. Geplant ist aber nicht eine generelle Lockerung des Kündigungsschutzes für alle Arbeitnehmer, sondern eine spezifische Lockerung für Mitarbeiter von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, die so genannte Risikoträger im Sinne der Institutsvergütungsverordnung sind (s. a. PLATOW Recht v. 16.5.18). Ziel ist es, insbesondere den Finanzplatz Frankfurt am Main für Banken in London attraktiv zu machen, die wegen des bevorstehenden Brexits nach neuen Standorten suchen. Offenbar hat man Bedenken, dass der Kündigungsschutz in Deutschland ein Standorthindernis sein könnte. Viel Zeit bleibt jedoch nicht mehr, damit die geplante Lockerung des Kündigungsschutzes noch weitere Anreizwirkung entfaltet. Teile der Bankenwelt haben bereits ihre Entscheidungen getroffen, und in einigen Fällen ist die Wahl auf Frankfurt gefallen. Die Gesetzesänderung könnte die Banken dazu bewegen, mehr Personal nach Deutschland zu verlegen als bisher geplant.

Wer ist von der Reform betroffen?

Risikoträger sind Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil eines Instituts auswirkt. Gemeint sind vor allem Mitarbeiter, die in hohem Maße Verantwortung übernehmen oder riskante Entscheidungen treffen. Dazu gehören etwa Geschäftsbereichsleiter, Leiter der Bereiche Recht, Finanzen oder Personal sowie Mitarbeiter mit hohem Handels- oder Kreditlimit. Daneben können auch Mitarbeiter mit einer vergleichsweise hohen Vergütung Risikoträger sein, beispielsweise ab einer Gesamtvergütung von 500 000 Euro oder bei Zugehörigkeit zu den 0,3% der Mitarbeiter mit der höchsten Gesamtvergütung.

Sofern die jährliche regelmäßige Grundvergütung solcher Risikoträger das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet, sollen sie nach den Plänen der Großen Koalition im Kündigungsschutzgesetz den leitenden Angestellten gleichgestellt werden. Derzeit würde das Beschäftigte mit einer jährlichen Grundvergütung von mehr als 234 000 Euro betreffen, da die Beitragsbemessungsgrenze aktuell 78 000 Euro beträgt. Bei leitenden Angestellten kann der Arbeitgeber nach einer Kündigung im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht ohne Begründung beantragen, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen. Dieser Auflösungsantrag bedarf – anders als bei „normalen““ Arbeitnehmern – keiner Begründung des Arbeitgebers. Die Höhe der vom Arbeitsgericht festzusetzenden Abfindung beträgt grundsätzlich bis zu zwölf Monatsverdienste und kann sich bei älteren Arbeitnehmern mit einer längeren Betriebszugehörigkeit auf bis zu max. 18 Monatsgehälter erhöhen.

Leitende Angestellte genießen also nur einen Abfindungsschutz und keinen Bestandsschutz, den das Kündigungsschutzgesetz eigentlich gewährt. Arbeitnehmer, die mehr als sechs Monate in einem Betrieb mit regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigt sind, können danach nur aus personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen gekündigt werden. Die Kündigung leitender Angestellter bedarf hingegen keiner solchen sozialen Rechtfertigung, wenn der Arbeitgeber einen Auflösungsantrag stellt. Letztlich kann der Arbeitgeber also eine unwirksame Kündigung aussprechen und das Arbeitsverhältnis endet dennoch.

Sind Banker erst der Anfang?

In der Praxis endet die Mehrzahl der Kündigungsschutzklagen ohnehin durch einen gerichtlichen Vergleich, in dem vereinbart wird, dass das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung endet. Die Frage, ob die jeweilige Kündigung wirksam ist oder nicht, spielt dann lediglich bei der Höhe der Abfindung eine Rolle, die zwischen den Parteien verhandelt wird. Im Jahr 2016 wurden laut Statistischem Bundesamt in Deutschland 192 162 Klagen, in denen es auch um eine Kündigung ging, vor den Arbeitsgerichten erledigt – 152 999, also rd. 80%, davon durch Vergleich. Vergleiche, in denen es um eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und nicht um die Beendigung geht, stellen dabei die Ausnahme dar. Gerade bei Kündigungsschutzklagen von Bankern mit hoher Vergütung sind die Arbeitsgerichte bei der Verhandlung der Abfindungsmodalitäten im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs mit Vorschlägen eher zurückhaltend.

Tatsächlich stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen ein reiner Abfindungsschutz nicht pragmatischer wäre. Sollte die Gesetzesänderung für Risikoträger tatsächlich kommen, wird es spannend sein zu sehen, wie der Gesetzgeber künftig auf Begehrlichkeiten reagieren wird, weitere Arbeitnehmergruppen vom Kündigungsschutz auszunehmen.

 

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