Das Restrukturierungsgesetz vor dem Praxistest
"Am 26.11.10 hat der Bundesrat dem Restrukturierungsgesetz zugestimmt. Es ist das erste aus Anlass der Finanzkrise entwickelte Gesetz, das über die Qualifikation einer Sofortmaßnahme hinausgeht. Zudem erhebt es den Anspruch, geeignete Instrumente für die Abwendung künftiger Bankenkrisen zur Verfügung zu stellen. Banken in Schieflage sollen so in einem geordneten Verfahren saniert oder abgewickelt werden können, ohne dass Gefahren für die Stabilität des gesamten Finanzsystems entstehen. Die Neuerungen werden am 1.1.11 in Kraft treten. Andreas Steck, Leiter der deutschen Bank- und Kapitalmarktrechtspraxis von Linklaters, erläutert die wesentlichen Auswirkungen."
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Als Herzstück des Gesetzes gelten sicherlich die neuen Regeln zur Sanierung und Reorganisation von Kreditinstituten sowie die erweiterten Eingriffsbefugnisse der BaFin gegenüber sanierungsbedürftigen Banken. Ergänzt werden diese durch die Einrichtung eines Bankenrettungsfonds, einer Verdienstobergrenze für Vorstände von Banken, an denen der Staat beteiligt ist, und längeren Verjährungsregeln für Bankvorstände.
Zweistufiges Konzept als Novum
Innerhalb des Restrukturierungsgesetzes bietet das Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorgG) erstmals ein spezielles Verfahren zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten außerhalb des Insolvenzrechts. Hierbei ist ein zweistufiges Konzept vorgesehen, das aus einem Sanierungs- und einem Reorganisationsverfahren besteht. Auf der ersten Stufe steht ein Sanierungsverfahren, mit dem Schieflagen bereits in einem frühen Stadium behoben werden sollen. Das Verfahren wird durch das betreffende Institut selbst eingeleitet. Eingriffe in Gläubigerforderungen oder Rechte von Anteilsinhabern des Instituts sind in dieser Phase nicht möglich. Der zwingend vorzulegende Sanierungsplan kann lediglich solche Darlehen privilegieren, die im Rahmen der Sanierung gewährt werden und damit indirekt den Rang bisheriger Verbindlichkeiten modifizieren.
Diese Privilegierung soll dazu dienen, einem sanierungsbedürftigen Kreditinstitut möglichst früh die notwendigen Mittel für eine Sanierung zur Verfügung zu stellen, um so eine vollständige Abwicklung zu verhindern. Damit soll für die Institute ein Anreiz geschaffen werden, eine frühzeitige und eigenverantwortliche Sanierung im Vorfeld einer Insolvenz zu versuchen. Scheitert ein Sanierungsverfahren oder erscheint es von Anfang an nicht sinnvoll, kann ein Reorganisationsverfahren eingeleitet werden. Dieses ist dem Insolvenzplanverfahren angenähert. Es setzt voraus, dass der Bestand des betroffenen Kreditinstituts gefährdet ist und die Bank – im Gegensatz zum Sanierungsverfahren – systemrelevant ist. Das besondere Risiko einer Insolvenz eines solchen Instituts für das Finanzsystem rechtfertigt es, dass ein Reorganisationsplan auch in die Rechte von Gläubigern oder Anteilseignern der Bank eingreifen kann.
Dazu muss in einem Reorganisationsplan allerdings explizit angegeben werden, inwieweit und in welche Gläubigerrechte eingegriffen werden soll. Denkbar sind etwa Debt-for-Equity-Swaps, die Umwandlung oder Ausgliederung von Unternehmensteilen oder die Kürzung nicht einlagegesicherter Forderungen. Eine abschließende Aufzählung gibt das KredReorgG nicht vor. Da in grundrechtlich hochsensible Bereiche eingegriffen wird, bedarf ein entsprechender Reorganisationsplan der Zustimmung aller Gläubiger- und Anteilseignergruppen. Um zu verhindern, dass sich Gläubiger oder Anteilseigner unter Androhung einer Blockade des Reorganisationsplans ihre Zustimmung zu Reorganisationsmaßnahmen abkaufen lassen, kann eine Zustimmung gegebenenfalls fingiert werden.
Ausgliederung systemrelevanter Vermögenswerte
Eine der wohl bedeutendsten Maßnahmen besteht darin, dass systemrelevante Vermögenswerte einer Bank im Wege einer Ausgliederung vollständig oder teilweise auf einen bestehenden Rechtsträger oder eine Bridge-Bank übertragen werden können. Der Vorteil hierbei: Staatliche Unterstützungsmaßnahmen können sich zielgerichtet auf die systemrelevante Bank beziehen und das Altinstitut kann in einem regulären Insolvenzverfahren ohne Gefährdung des Finanzmarkts abgewickelt werden. Zusätzlich kann eine solche Übertragung nach der Erweiterung des KWG auch durch die BaFin angeordnet werden, wenn von einem gefährdeten Kreditinstitut eine Systemgefährdung ausgeht.
Eine solche Anordnung ist allerdings nur als ultima ratio und nur bei einer angemessenen Gegenleistung des betroffenen Kreditinstituts zulässig. Technisch vollzieht sich die Ausgliederung nach einem eigenen, im KWG normierten System, das den Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes nachgebildet ist. Die wesentlichen Unterschiede: Neben der Übertragungsanordnung und der Zustimmungserklärung des aufnehmenden Rechtsträgers bedarf es keines Ausgliederungsvertrags, Ausgliederungsberichts bzw. keiner Ausgliederungsbeschlüsse der Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger oder einer Mitwirkung der Gläubiger der betroffenen Bank.
Inwieweit eine Übertragungsanordnung tatsächlich durchgeführt werden kann, wird sich erst künftig in der Praxis zeigen. Viele Vertragsverhältnisse, etwa bei Derivaten, sehen für den Fall solcher erheblicher Eingriffe Sonderkündigungsrechte vor. Daneben darf auch der enorme operative Aufwand nicht unterschätzt werden, wenn ganze Geschäftsbereiche quasi „über Nacht“ komplett übertragen werden.
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