Geoblocking-Verordnung – Shopping ohne Grenzen

Der Europäische Gesetzgeber hat mit der seit dem 3.12.18 anwendbaren Geoblocking-Verordnung (VO EU Nr. 2018/302) einen weiteren Schritt in Richtung eines Europäischen Binnenmarktes ohne Grenzen geschaffen. Was die Verordnung konkret für Händler bedeutet und welche Auswirkungen sie hat, erläutert Susanne Werry, Rechtsanwältin im Frankfurter Büro und Mitglied der globalen TechGroup von Clifford Chance.

 Als Teil der 2015 durch die EU-Kommission verkündeten „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“, enthält die Geoblocking-Verordnung spezielle Vorgaben, um Diskriminierungen, die direkt oder indirekt auf der Staatsangehörigkeit, dem Wohnsitz oder dem Ort der Niederlassung des Kunden beruhen, zu verhindern. In der Vergangenheit nutzten viele Onlinehändler Geoblocking, um Kunden auf Grund ihres Wohnsitzes unterschiedlich zu behandeln. Durch die Lokalisierung des Kunden anhand seiner IP-Adresse verweigerten Onlinehändler bestimmten Kunden den Zugang zu ihren Internetseiten oder verhinderten den Abschluss des Kaufs durch andere Mittel, wie das Fehlen einer Möglichkeit, eine ausländische Adresse anzugeben oder Beschränkungen im Hinblick auf Zahlungsmittel. Ein belgischer Kunde konnte somit z. B. daran gehindert werden, einen Computer im deutschen Onlineshop des Verkäufers für einen günstigeren Preis zu erwerben als dieser in dessen belgischen Onlineshop angeboten wurde.

Maßnahmen zur Verhinderung von Diskriminierung

Die Geoblocking-Verordnung sieht verschiedene Maßnahmen zur Verhinderung dieser Diskriminierung vor. Zunächst muss der Zugang zu Internetseiten diskriminierungsfrei im Hinblick auf Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Ort der Niederlassung des Kunden gewährleistet werden. Hierbei verbietet die Verordnung das Sperren von Internetseiten und die Weiterleitung ohne die vorherige Einwilligung des Kunden. Daneben muss eine Nicht-Diskriminierung bei Zahlungen gewährleistet werden. Soweit ein Anbieter Zahlungsmittel akzeptiert, ist eine unterschiedliche Behandlung auf Grund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden oder des Ausstellungsortes des Zahlungsmittels unter bestimmten Voraussetzungen verboten.

Die Verordnung legt zudem bestimmte Fälle fest, in denen Kunden aus anderen Mitgliedstaaten derselbe Zugang und dieselben Möglichkeiten wie einheimischen Kunden gewährt werden müssen, um Waren und Dienstleistungen zu erwerben (so genanntes „Shop like a local“-Prinzip). Es dürfen in diesen Fällen keine unterschiedlichen Geschäftsbedingungen verwendet werden. Die Regelung umfasst dabei den Verkauf von Waren ohne Lieferung an einen Ort außerhalb des Gebietes, in das der Anbieter liefert, den Verkauf elektronisch bereitgestellter Dienstleistungen sowie den Verkauf von Dienstleis-tungen, die an einem bestimmten geografischen Standort bereitgestellt werden und gilt für den Handel im Internet wie auch für den stationären Handel. Zusätzlich beinhaltet die Verordnung auch eine wettbewerbsrechtliche Vorgabe im Hinblick auf passive Verkäufe in Vertriebsverträgen.

Weiterer Anwendungsbereich

Die Verordnung gilt für alle „Anbieter“, die Waren oder Dienstleistungen im EWR anbieten. Sie kann damit auch Anbieter umfassen, die ihren Sitz außerhalb des EWR haben. Es ist dabei unerheblich, ob sich das Angebot nur an Kunden in einem EWR-Staat richtet oder in mehreren. Die Frage, wann ein Unternehmen sein Angebot auf einen Mitgliedstaat ausrichtet, wurde ausführlich in mehreren Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur sog. Brüssel I-Verordnung behandelt. Die Verordnung entfaltet ihren Schutz nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern auch gegenüber Unternehmen – soweit diese für den Eigengebrauch kaufen. Es ist Anbietern daher zu raten, insbesondere ihre Webseiten auch Unternehmen aus EWR-Staaten diskriminierungsfrei zugänglich zu machen.

Gewisse Einschränkungen

Die Verordnung gilt nicht völlig uneingeschränkt. Sie gilt generell nicht für Gesundheitsdienstleistungen, andere soziale Dienste, Finanzdienstleistungen und den Verkauf von Personentransportdienstleistungen (z. B. Zugtickets). Daneben ist das Verbot unterschiedlicher Verkaufsbedingungen verschiedenen Einschränkungen unterworfen. So gilt es nicht für audiovisuelle Dienste und urheberrechtlich geschützte Inhalte, elektronisch angebotene Dienstleistungen (z. B. Webhosting) von Kleinunternehmen und für Waren, die gesetzlichen Verkaufsbeschränkungen unterliegen (z. B. Feuerwerkskörper).

Spielraum für Händler bleibt bestehen

Unternehmen werden durch die nun geltende Geoblocking-Verordnung zu einigen – insbesondere technischen – Anpassungen ihrer Geschäftsprozesse verpflichtet, deren Nicht-umsetzung mit Bußgeldern bis zu 300 000 Euro geahndet oder von Wettbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden abgemahnt werden kann. Die Verordnung verlangt jedoch zusammengefasst „nur“, an jeden Kunden im Gebiet des EWR Waren oder Dienstleistungen zu den gleichen Bedingungen zu verkaufen wie an nationale Kunden. Sie verpflichtet Anbieter gerade nicht, ihr Liefergebiet oder ihre Zahlungsarten zu ändern, nationale Onlineshops aufzugeben oder in allen Sprachen anzubieten oder gleiche Preise in allen Ländern aufzurufen. Unternehmen bleibt damit auch mit der Geoblocking-Verordnung ein großer Spielraum zur (wirtschaftlich) unabhängigen Gestaltung ihrer Angebote innerhalb des EWR.

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