Rechtsrat nicht einfach akzeptieren

Geschäftsführer einer GmbH und Vorstandsmitglieder einer AG sind in der Regel keine Juristen, aber dennoch häufig mit Rechtsfragen konfrontiert. Kommt es zu einem Schaden für die Gesellschaft, können sie sich nicht mit mangelnden Rechtskenntnissen entlasten. Die Einholung qualifizierten Rechtsrats ist ein notwendiger, allerdings nur erster Schritt zu einer Entlastung des Geschäftsleiters, warnt Stephan Molls, Rechtsanwalt im Bereich Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei Kümmerlein. Der Bundesgerichtshof hat kürzlich Grundsätze dafür veröffentlicht, welche Regeln Geschäftsleiter beachten müssen, um ihr Haftungsrisiko zu minimieren.

Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer sind bei der Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen oftmals mit der Frage konfrontiert, ob eine geplante Maßnahme überhaupt rechtlich zulässig ist. Können sie diese Frage nicht selbst beantworten, so erfordert es die gesetzlich vorgeschriebene Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG), den Rat eines Fachmanns einzuholen.

Dabei ist es jedoch nicht damit getan, „einfach“ einen Rechtsanwalt oder eine sonstige für fachkundig gehaltene Person einzuschalten und sich damit der Rechtsfrage und insbesondere einer möglichen Haftung für deren fehlerhafte Beurteilung zu entledigen. Denn stellt sich die getroffene Entscheidung später als rechtswidrig heraus, so liegt bereits in diesem objektiven Gesetzesverstoß eine Pflichtverletzung des Vorstands/Geschäftsführers. Will dieser einer Haftung für eingetretene Schäden der Gesellschaft entgehen, so muss er nach der gesetzlichen Beweislastverteilung darlegen und beweisen, dass er sich selbst in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befand.

Pflicht zur rechtlichen Beratung
Der Bundesgerichtshof hatte bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 zu den Erfordernissen Stellung bezogen, die es bei der Einholung von Rechtsrat zu beachten gilt (Urteil vom 20.09.2011, Az: II ZR 234/09, sog. Ision-Entscheidung). Danach muss ein Vertretungsorgan, das selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, wenigstens drei Schritte einhalten: Erstens sich von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lassen, zweitens diesen über die Verhältnisse der Gesellschaft umfassend informieren und alle erforderlichen Unterlagen offen legen und drittens die erteilte Rechtsauskunft sorgfältig auf Plausibilität prüfen.

Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr präzisiert (Urteil vom 28.04.2015, Az.: II ZR 63/14), indem er feststellte, dass das Kriterium der Unabhängigkeit lediglich eine fachliche, nicht aber eine persönliche Unabhängigkeit des Rechtsberaters erfordert. Es ist somit ausreichend, dass sich das Geschäftsführungsorgan von einem Mitarbeiter der unternehmenseigenen Rechtsabteilung beraten lässt. Ob dieser die erforderliche fachliche Unabhängigkeit besitzt, ist im Einzelfall zu prüfen. Insoweit ist maßgeblich, dass er unbeeinflusst von unmittelbaren oder mittelbaren Vorgaben hinsichtlich des Ergebnisses ist.

Auch zu der maßgeblichen Frage, wie der vom Geschäftsführungsauftrag zu erteilende Prüfungsauftrag zu fassen ist, hat der Bundesgerichtshof in diesem jüngsten Urteil Stellung genommen. Voraussetzung für die Enthaftung des Vorstandsmitglieds ist zunächst, dass die betreffende Maßnahme überhaupt Gegenstand der Prüfung des hinzugezogenen Beraters war und auf Grundlage dieser Prüfung als rechtlich zulässig beurteilt worden war. Dabei wird von einem nicht selbst rechtskundigen Geschäftsführungsorgan grundsätzlich nicht erwartet, dass konkrete Rechtsfragen formuliert werden. Vielmehr entlastet es den Geschäftsleiter auch, wenn er sich nach den Umständen der Auftragserteilung darauf verlassen durfte, dass der beauftragte Experte im Rahmen einer anderweitigen Aufgabenstellung auch die zweifelhafte Frage prüfen werde. Es ist also nicht notwendig, dass diese bei Auftragserteilung ausdrücklich genannt wird. Ferner genügt es für eine Entlastung des Geschäftsleiters auch, wenn – unabhängig vom Inhalt des Prüfauftrags – die fachkundige Person nach dem Inhalt der Auskunft die Rechtsfrage tatsächlich geprüft und beantwortet hat.

Auf Plausibilität prüfen
Schließlich hat der Bundesgerichtshof auch die Anforderungen an die vom Geschäftsführungsorgan vorzunehmende Plausibilitätsprüfung konkretisiert. Diese erfordert selbstverständlich keine rechtliche Überprüfung der erhaltenen Rechtsauskunft, da das Geschäftsführungsorgan diese letztlich nur durch Beauftragung eines weiteren Experten leisten könnte. Der Bundesgerichtshof verlangt jedoch eine Überprüfung, ob dem Berater nach dem Inhalt der Auskunft alle erforderlichen Informationen zur Verfügung standen, er die Informationen verarbeitet hat, er alle sich in der Sache für einen Rechtsunkundigen aufdrängenden Fragen widerspruchsfrei beantwortet hat und sich auf Grund der Auskunft weitere Fragen aufdrängen.

Da das Geschäftsführungsorgan für sämtliche vorstehend genannten Entlastungsvoraussetzungen die Darlegungs- und Beweislast trägt, ist ihm dringend zu empfehlen, die einzelnen Schritte – Auswahl eines unabhängigen und qualifizierten Beraters, Beauftragung unter Überreichung aller maßgeblichen Unterlagen, Durchführung der Plausibilitätskontrolle – sorgfältig zu dokumentieren.

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