Verlustuntergang und Sanierungsklausel bleiben ein Dauerthema
Das Finanzgericht (FG) Münster hat der Leidensgeschichte des als „pauschale Verlustuntergangsvorschrift“ bekannten § 8c Abs. 1 KStG ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Das FG äußerte erhebliche Zweifel, ob die sog. Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG tatsächlich – wie jüngst von der EU-Kommission festgestellt – als unzulässige Beihilfe anzusehen ist und setzte einen Steuerbescheid aus, der die Existenz des betroffenen Betriebes gefährdete (Az.: 9 V 357/11 K, G).
Nach § 8c Abs. 1 KStG gehen bei bloßer Übertragung von mehr als 25% bzw. 50% der Anteile an einer Kapitalgesellschaft die bei ihr angelaufenen Verluste anteilig in gleicher Höhe bzw. sogar vollständig unter. Die Sanierungsklausel begründet eine Ausnahme davon vor allem für die Fälle, in denen der Verlustuntergang die Sanierung von Krisenunternehmen gefährdet.
Nina Kuntschik, Steuerrechtexpertin bei Oppenhoff & Partner: „Seit der Einführung diskutieren Experten die mögliche Verfassungswidrigkeit des pauschalen Verlustuntergangs und begrüßten daher die notwendige Korrektur für Krisenunternehmen. Im Januar hat die EU-Kommission diese Ausnahme allerdings als unzulässige Beihilfe qualifiziert, so dass sie derzeit keine Anwendung findet.“ Die Bundesregierung hat gegen die Kommissionsentscheidung eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht; die Erfolgsaussichten werden unterschiedlich beurteilt. Parallel legte das FG Hamburg im April dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob der Grundtatbestand des § 8c Abs. 1 KStG als solches verfassungswidrig ist. Kuntschik zufolge spricht einiges dafür. „Dass Verlustvorträge auf Grund einer Maßnahme auf Gesellschafterebene untergehen, dürfte dem Trennungsprinzip zwischen Gesellschaft und Gesellschafter und – auch vor dem Hintergrund der Mindestbesteuerung – dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widersprechen“, erläutert die Rechtsanwältin.
Die Verrechnung von Verlusten mit sonst steuerpflichtigen Gewinnen ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Das derzeitige System, das auch der Vermeidung von Gestaltungsmodellen dienen soll, ist jedoch trotz mehrfacher Überarbeitung in vielen Teilen unbefriedigend. „Die Unternehmen leben schon lange mit der großen Rechtsunsicherheit – dieser Zustand sollte schnellstens beendet werden“, so Kuntschik. Bis zu einer Neuordnung wird das Finanzministerium aber wohl eine höchstrichterliche Entscheidung abwarten.
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