Interne Untersuchung im Konzern – Segen oder Fluch?

"Sie scheint modern: Werden kaufmännisch unkorrekte oder strafrechtlich relevante Handlungen in Unternehmen vermutet oder nur behauptet, leiten Compliance Officers und Vorstände schnell eine unabhängige Untersuchung im Unternehmensinteresse ein. Siemens, Daimler und Ferrostaal stehen mittlerweile dafür. Ingo Minoggio, Partner der Kanzlei Minoggio Rechtsanwälte und Verfasser des Fachbuches „Firmenverteidigung – die Vertretung von Unternehmensinteressen im Straf- und Bußgeldverfahren“, zeigt hierzu eine differenzierte Sichtweise auf. "

Ermittlerteams werden – oftmals ohne Kostenkalkulationen vornehmlich aus externen Kräften – zusammengestellt. Gefordert wird schnellst- und größtmögliche Aufklärung in alle Richtungen, sofort propagiert werden Kooperationen mit staatlichen Untersuchungsbehörden. Folgt man den Verfechtern kritiklos, scheinen sich Unternehmensführungen nur zwischen kriminellem und wirtschaftethisch verwerflichem Vertuschen einerseits oder nachhaltiger Generalaufklärung mit anschließender Säuberung andererseits entscheiden zu können. Diese Sichtweise ist unrichtig. Vielmehr verursacht eine nicht zielgenau geplante, auf das Erforderliche beschränkte und strategisch ausschließlich am Unternehmensinteresse ausgerichtete Untersuchung fast regelmäßig nicht nur hohe Kosten, sondern erheblichen Folgeschaden für das Unternehmen. Ein sich schnell verselbständigender „Aufklärungsrausch“ kommt das Unternehmen am Ende teuer zu stehen. Zweifellos können interne Ermittlungen in vielen Fällen schon als Beweis eines Selbstreinigungsprozesses oder einer Zero-Tolerance-Policy zwingend sein. Auch dann aber müssen ihre Risiken gesehen und kontrolliert werden.

Ermittlungsergebnisse bleiben selten diskret

Untersuchungen schaffen Unsicherheit und Misstrauen, gerade bei beanstandungsfrei agierenden Mitarbeitern. Das Spannungsverhältnis zu Arbeitnehmerschutzrechten – rechtlich momentan weitgehend ungeklärt – will strikt beachtet werden, etwa bei Befragungen (Schweigerecht bei Selbstbelastungsgefahr? Belehrungspflichten? Verteidigerkonsultation?), dem Zugriff auf gemischt betriebliche/persönliche Email-Konten oder verdeckten Ermittlungsmaßnahmen. Was ermittelt und in einen Bericht eingeflossen ist, zieht zwingend Konsequenzen nach sich. Niemand traut sich heutzutage noch, den kaufmännischen Beurteilungsspielraum in Richtung auf die Nichtverfolgung von Ersatzansprüchen aus übergeordneten Reputationsgesichtspunkten auszuüben. Auch ein ausschließlich selbst geschädigtes Unternehmen wird in der Öffentlichkeit schnell als Täterunternehmen wahrgenommen.

So diskretionsbedürftig schriftliche Ermittlungsergebnisse sind, so selten gelingt es erfahrungsgemäß, sie auf Dauer diskret zu halten. Schnell landen sie beim geschäftlichen Gegner oder mutmaßlichem Anspruchsteller und liefern Munition.Staatsanwaltschaften nehmen Zugriff auf die Feststellungen und verwenden diese auch gegen die Unternehmensinteressen, stehen unternehmensentlastenden Ergebnissen regelmäßig skeptisch gegenüber. Vertraulichkeitszusagen unter Privaten halten schon nicht bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen. Mitarbeiter-Schweigerechte gibt es im Strafverfahren kaum. Wer viel Material zusammenträgt, schafft die Basis für viele Verfahren mit Unternehmensbeteiligung und Negativschlagzeilen. Dabei gibt es bekanntermaßen keine allgemeine Pflicht zur vollständigen Aufklärung in der Vergangenheit liegender und abgeschlossener Missstände. Es gibt keine Pflicht zur Strafanzeigeerstattung. Eine solche ist auch nicht durch das Urteil des Bundesgerichtshofes zur strafrechtlichen Garantenstellung des Compliance Officers (Az.: 5 StR 394/08) festgestellt.

Die Staatsanwaltschaft schaut in alle Ecken

Ist die Anzeige erstattet, kann sie nur ausnahmsweise zurückgenommen oder das Ermittlungsverfahren beherrscht werden. Hat man die Staatsanwaltschaft im Haus, bleibt sie es auch und schaut in alle Ecken. Strafverfolgungsbehörden entwickeln naturgemäß sehr wenig Verständnis für kaufmännische Belange und Unternehmensinteressen. Die in § 153 AO normierte Korrekturpflicht bei nachträglichem Erkennen steuerlicher Fehlbuchungen zwingt gerade nicht zu Untersuchungen bei bloßem Verdacht. Sind aber erst Fehler positiv festgestellt, müssen zurückliegende Wirtschaftsjahre zur Vermeidung eigener Steuerhinterziehung korrigiert werden. Das kann – etwa bei der Abgrenzung früherer Auslands-Beraterkosten zu verdächtigen Zuwendungen – zu massiven Steuerbelastungen und in der Folge zu Korruptionsstrafverfahren führen, die man hätte rechtlich einwandfrei vermeiden können.

Fazit

Selbstverständlich sind Unternehmen verpflichtet, mutmaßliche Missstände so aufzuklären, dass rechtlich einwandfreies Handeln aller Mitarbeiter für die Zukunft gewährleistet ist. Eine interne Untersuchung kann hierbei zwingend geboten sein. Selbstverständlich sind darüber hinaus alle gesetzlichen und vertraglichen Korrekturpflichten auch bei bislang unentdeckten Fehlern der Vergangenheit zu erfüllen. Das „Ob“ und „Wie“ der internen Untersuchung muss gleichwohl ausschließlich am Unternehmensinteresse ausgerichtet werden. Ebenso selbstverständlich schaden nämlich über diese Ziele hinausgehende Ermittlungen nur um der Untersuchung oder der eigenen Entlastung der Handelnden Willen das eigene Unternehmen, manchmal nachhaltig und auf Jahre.

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