Kompetenz ehemaliger Vorstände nicht ignorieren

Die Finanzkrise hat nicht nur Unternehmens-lenker, sondern auch deren Aufsichtsorgane ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Um Missstände künftig früher aufzudecken und Fehlentwicklungen zu verhindern, will der Gesetzgeber die Qualität der Aufsichtsräte stärken. Als Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex begleitet die Juristin Daniela Weber-Rey diesen Prozess. Die Professionalisierung von Aufsichtsräten bedeutet für sie nicht zusätzliche Regulierung, sondern die effizientere Nutzung vorhandener Strukturen. Wir haben die Partnerin der Sozietät Clifford Chance gefragt, was einen guten Aufsichtsrat auszeichnet.

Welchen Anforderungen müssen Aufsichtsräte genügen, um Fehlentwicklungen rechtzeitig zu begegnen?

Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex sieht Handlungsbedarf bei der Professionalisierung der Aufsichtsräte. Im Kern geht es um die Frage, wie Fehlentwicklungen rechtzeit erkannt und die Nachhaltigkeit wirtschaftlichen Handelns sichergestellt werden kann. Höhere Anforderungen müssen an die Qualifikation des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds, aber auch an den gesamten Aufsichtsrat im Hinblick auf seine Zusammensetzung gestellt werden. Der Aufsichtsrat muss meines Erachtens so zusammengesetzt sein, dass die Mitglieder in ihrer Heterogenität zusammen die Fähigkeiten vorhalten, die für das Unternehmen erforderlich sind. Aus diesem Grund sollten wir eine formelle Unabhängigkeit nicht überbetonen. Gerade die Finanzmarktkrise hat gezeigt, dass eine Überprüfung der Unabhängigkeit nach dem Prinzip „Check the Box“ der falsche Weg ist. Vielmehr brauchen wir im Rahmen der heterogenen Zusammensetzung Persönlichkeiten, die im Geiste unabhängig sind, die Widerspruch äußern und einen Vorstand in Frage stellen können.

Schließt das ehemalige Vorstände aus?

In der Tat sind ehemalige Vorstände auf Grund ihrer zu großen Nähe formell gesehen nicht unabhängig. Bei der Frage der richtigen Zusammensetzung des Aufsichtsrats sollten wir die geforderte formelle Unabhängigkeit jedoch nicht überbewerten, da wir gleichzeitig eine hohe Kompetenz in den Aufsichtsrat bringen wollen. Ehemalige Vorstände sind in dieser Hinsicht geradezu prädestiniert. Wichtig ist die Unabhängigkeit des Geistes. Das kann auch auf jemanden zutreffen, der rein formell, also nach den Kriterien, die sich aus der von der EU-Kommission veröffentlichten Empfehlung ergeben, nicht unabhängig ist. Vorstellbar wären aber auch z. B. ein Mitglied eines Großaktionärs oder ein Lieferant, die gerade diejenigen sein können, die am kritischsten und unabhängigsten die Fragen stellen. Kurzum: Ich möchte weg von dieser formellen Betrachtung der Unabhängigkeit und hin zu einer heterogenen Zusammensetzung, um unterschiedliche Persönlichkeiten zusammenzubringen, die kompetent und im Denken frei sein müssen. Das halte ich für wichtiger als die technische Unabhängigkeit.

Sieht die Politik das auch so?

Nicht zuletzt als Tribut an den damaligen Wahlkampf hat Deutschland – entgegen dem guten Rat anderer – die formelle Unabhängigkeit überbetont. Der Gesetzgeber verbietet nunmehr in der Regel den Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat, es sei denn, es wird eine zweijährige Karenzzeit eingehalten („Cooling-off“). Dies kann sich kontraproduktiv auf die Qualität der Aufsichtsräte auswirken und wird auch in Brüssel nicht für die richtige Lösung gehalten. Sinnvoll kann es durchaus sein, keinen direkten Wechsel in den Aufsichtsratsvorsitz zuzulassen. Es ist aber nicht klug, die Kompetenz eines ehemaligen Vorstands im Aufsichtsrat ganz zu verlieren. Untermauert wird dies von einer Studie des Beratungsunternehmens Nestor Advisors, die sich mit der Frage befasst, welche Corporate Governance-Maßnahmen eine Bank in der Krise relativ günstiger gestellt haben. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Kompetenz des AR-Vorsitzenden hinsichtlich des Sektors und des Unternehmens eine entscheidende Rolle spielt. Das ist bisher typischerweise ein ehemaliger Vorstand. War diese Kompetenz vorhanden, dann stand die Bank deutlich besser da als solche, in denen Branchenfremde den Aufsichtsrat führten.

Die Kodex-Kommission spricht davon, die „Diversity“ in den Aufsichtsräten zu erhöhen. Was ist damit gemeint?

Wer eine heterogene Zusammensetzung des Aufsichtsrats erreichen möchte, muss den Pool potenzieller Kandidaten erweitern, statt sich auf die Netzwerke von Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden zu verlassen. Voraussetzung ist die Bereitschaft anzuerkennen, dass Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund etwas zum betrieblichen Erfolg beisteuern können. Das schließt ausdrücklich auch Frauen ein, die in den Aufsichtsräten viel zu selten anzutreffen sind. Gleichwohl ist die Pool-Erweiterung kein reines Frauenthema. Die Öffnung des bisherigen Netzwerks bezieht sich auf alle potenziellen Talente, gleich welchen Geschlechts. Starre Regelungen wie eine Frauenquote, die sich nicht in erster Linie am Unternehmensinteresse orientieren, lehne ich ab. Nachhaltiger ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich auch potenzielle Kandidatinnen positionieren können. Es kann nicht sein, dass wir die Kompetenz qualifizierter Frauen ignorieren. Ich halte es schlicht für schlechte Corporate Governance, dieses zur Verfügung stehende Potenzial nicht zu nutzen. In der Politik ist die Quote aber längst nicht vom Tisch. Die Unternehmen sollten dafür sorgen, dass auch Frauen in ihre Aufsichtsräte einziehen. Nur so wird zu vermeiden sein, dass an Stelle der Unternehmen der Gesetzgeber handelt.

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