Migration – Unternehmen überlassen NGOs zu sehr das Spielfeld
Der nach langen Verhandlungen von einer großen Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten gebilligte „Global Compact for Migration“ sollte mit seinen 23 Zielen eigentlich ein Meilenstein zur Lösung des Migrationsproblems sein. Erstmals konnten sich damit viele Staaten auf einen empirischen Rahmen einigen, auf dessen Grundlage die Herausforderungen von Migration so objektiv wie möglich diskutiert werden können. „In der öffentlichen Debatte über den UN-Migrationspakt standen allerdings vor allem Fragen der Flüchtlingspolitik im Vordergrund“, meint Axel Boysen, Managing Partner der auf Wirtschaftsmigration spezialisierten Kanzlei Fragomen Global LLP. „Dabei unterscheidet die UN explizit zwischen zwei Pakten: einem für Flüchtlinge und einem für Migration.“
Letzterer beschäftigt sich also nicht mit humanitären Fragen, sondern mit den politischen Rahmenbedingungen, in denen Menschen, die sich über Ländergrenzen hinweg bewegen, leben und vor allem auch arbeiten. Allerdings sind Aspekte der Wirtschaftsmigration in der Tat auch im finalen Text der UN unterrepräsentiert. So beschäftigen sich nur wenige der 23 Ziele des Paktes explizit mit Arbeitsmigration. Ziel 18 sieht beispielsweise vor, dass sich die Staaten bemühen, internationale Ausbildungsstandards einzuführen, die eine Anerkennung ausländischer Qualifikationen erleichtern würden. Sollte das gelingen, wäre z. B. mit Blick auf die Bekämpfung des hiesigen Fachkräftemangels einiges erreicht. Dass nun zivilgesellschaftliche Aspekte von Migration stärker im finalen Text der UN vertreten sind, als etwa die der Privatwirtschaft, ist zum einen der traditionell starken Rolle von Nichtregierungsorganisationen geschuldet, gleichzeitig aber auch auf die allgemeine Prominenz dieser Gesichtspunkte beim politischen Umgang mit Migration zurückzuführen.
„Es wäre allerdings merkwürdig, NGOs vorzuwerfen, sie würden sich vornehmlich für ihre Belange einsetzen“, so Boysen weiter. „Vielmehr ist es nun an den Wirtschaftsvertretern, noch aktiver in solche Migrationsdebatten einzusteigen und sich Gehör zu verschaffen.“ Dies ist mit Blick auf die Umsetzung der Inhalte des Pakts von Seiten der UN auch explizit gewünscht. So heißt es unter Punkt 5 etwa, dass Vertreter von Gewerkschaften und speziell der Privatwirtschaft maßgeblich eingebunden werden sollen, wenn es darum geht, den internationalen Arbeitsmarkt freizügiger und etwaige bilaterale Abkommen marktgerecht zu gestalten. So sollen Unternehmen in die Analyse des lokalen Arbeitsmarktes, die Ermittlung von Qualifikationslücken, die Definition der erforderlichen Qualifikationsprofile sowie die Bewertung der Wirksamkeit der Arbeitsmigrationspolitik einbezogen werden.
„Der Migrationspakt bildet also auch trotz seines eher zivilgesellschaftlichen Anstrichs eine gute kommunikative Grundlage, um privatwirtschaftliche Belange hervorzubringen“, so ein erstes Fazit des Arbeitsrechtlers. „Dank seiner empirischen Basis und der breiten Anerkennung aus der internationalen Gemeinschaft gibt er Möglichkeiten an die Hand, die weltweite Migrationspolitik dahingehend zu gestalten, dass sie alle arbeitsmarktrelevanten Aspekte effektiv berücksichtigt.“
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