10 Jahre nach Lehman – Wie krisenfest ist der Finanzsektor heute?

Am 15.9.08 meldete das Bankhaus Lehman Brothers Insolvenz an. Dieser Zusammenbruch hatte massive Auswirkungen auf die Beaufsichtigung des gesamten Finanzsektors und gilt gemeinhin als Epizentrum der Finanzkrise. Retrospektiv lässt sich dies insbesondere dadurch erklären, dass die US-Regierung bis dahin bei den durch die Immobilienkrise in Mitleidenschaft gezogenen Instituten Fannie Mae, Freddie Mac und Bear Stearns mit staatlichen Mitteln eine ungeordnete Abwicklung verhinderte (Bail-Out). Bei Lehman war dies bekanntlich anders. Die Folgen wirken bis heute nach.

Viele der Kernpunkte des derzeitigen „aufsichtsrechtlichen Kanons“ gehen zurück auf die unmittelbar auf den Zusammenbruch von Lehman folgenden G20-Treffen in Washington, London und Pittsburgh. Während einige der damals prominent diskutierten Themen, wie die Regulierung des Schattenbankensektors, heute nicht länger mit der gleichen Verve verfolgt werden, haben andere Maßnahmen das Bild des Finanzsektors massiv verändert: Erhöhte Anforderungen an die Eigenmittel und Liquidität von Kreditinstituten sind heute allgemein anerkannter Standard. Die in der Eurozone umgesetzte vereinheitlichte Aufsichtslandschaft mit der EZB und dem Single Resolution Board (SRB) als zentralen Behörden und einem durch einheitliche Regelwerke (Single Rulebooks) ermöglichten „Level Playingfield“ haben ebenso wie die Begrenzungen von Vergütungsregelungen für Entscheider im Finanzsektor dazu beigetragen, dass die Finanzlandschaft heute deutlich krisenresistenter ist. Daneben wurde der Bereich des Derivatehandels durch Transparenzvorgaben und die Verpflichtung, standardisierte OTC-Verträge über einen zentralen Kontrahenten abzuwickeln, grundlegend reformiert.

„Neben diesen Maßnahmen, die primär einer Stärkung des Sektors dienten, zeigte die Finanzkrise, dass es im Falle der Krise einer entsprechend großen Bank nur zwei Alternativen gab“, so Andreas Steck, Senior Partner bei Linklaters. „Entweder der Staat rettete das Institut, um eine systemische Krise zu verhindern oder es wurde unkontrolliert abgewickelt.“ Auf Grund dieser Erfahrung wurden unter dem Grundsatz „no more tax payers money to bail out banks“ seit 2008 Instrumente entwickelt, die eine Abwicklung einer Bank unter Einbeziehung von Gläubigern des Instituts ermöglichen sollen. Am prominentesten zeigt sich dies in den Bail-In-Instrumenten der Bank Recovery and Resolution Directive (Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, kurz: BRRD).

„In den vergangenen zehn Jahren hat der Finanzsektor eine Flut neuer Regelungen erlebt und erfolgreich implementiert“, ergänzt Linklaters-Partner Andreas Dehio. Viele dieser Regeln sind anerkannt und haben die Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors gestärkt. „Ob die Maßnahmen allerdings auch dazu geeignet sind, dass eine zukünftige Krise insgesamt besser verkraftet werden kann, wird sich vermutlich erst durch einen Praxistest beweisen lassen“, vermutet der Aufsichtsrechtler. Dabei wird man auch berücksichtigen müssen, dass neue Krisen neue Ursachen haben werden, und sich die Geschäftsmodelle der klassischen Banken nach einer solchen Krise auch völlig neuen Wettbewerbern werden stellen müssen, die bereits heute als Folge der Digitalisierung entstehen.

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