Negativer Euribor versus alter Kreditvertrag
Das Phänomen eines negativen Referenzzinses hat über lange Zeit kaum jemand für möglich gehalten. Es scheint auf den ersten Blick viel zu absurd, dass eine Person einer anderen Person Geld leiht und statt des Geldempfängers der Geldgeber hierfür Zinsen entrichten muss. Allerdings werden die meisten Finanzierer ihre Dokumentation für einen solchen Fall bereits entsprechend aktualisiert haben. Andrea Spellerberg und Maren Stölting, beide Partnerinnen bei der Sozietät Norton Rose Fulbright in München, betrachten die gängigen Zinsbestimmungen in Immobilienfinanzierungsverträgen und gehen auf die entsprechenden Klauseln unter einem Zinssicherungsinstrument und deren Konformität zur Finanzierung auch im Falle eines negativen Referenzzins ein.
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Immobilienkreditverträge enthalten üblicherweise die folgende Regelung: „Der Zinssatz wird berechnet auf der Basis des Drei-Monats-Euribor zuzüglich eines Zuschlags von X Basispunkten.“ In jüngster Zeit wird üblicherweise folgender Zusatz eingefügt: „Bei der Berechnung des Zinssatzes aus Euribor und Marge ist bei einem negativen Euribor ein Euribor von Null anzusetzen.“ Durch diese Regelung stellt der jeweilige Kreditgeber sicher, dass ein negativer Referenzzins bei der Berechnung des Zinssatzes unberücksichtigt bleibt. Ältere Kreditverträge enthalten diesen Zusatz jedoch nicht. Wie wird der Zinssatz in diesem Fall berechnet? Dies ist im Wege der Auslegung nach dem Willen der Parteien zu ermitteln. Dabei gilt der objektive Empfängerhorizont.
Ein Fachaufsatz über die gesetzliche Verzugszinsregelung, die 5% bzw. 8% p.a. über dem zurzeit negativen Basiszinssatz liegt, stellt bei einem negativen Basiszinssatz auf die Auslegung der vertraglichen Regelung ab. Es käme darauf an, ob eine absolute Zahl des Zuschlags über dem Basiszinssatz von den Parteien gewollt sei (Coen, NJW 2012, 3329). Der Informationsdienst des Deutschen Notarinstituts (DNotI-Report 2013, 21) dagegen berücksichtigt bei der Auslegung der gesetzlichen Verzugszinsregelung den negativen Basiszinssatz und reduziert den Zuschlag von 5% bzw. 8% um den aktuellen Basiszinssatz. Soweit ersichtlich, gibt es hierzu keine Rechtsprechung. Die rechtliche Bewertung ist somit bei einem Kreditvertrag, der nicht ausdrücklich einen negativen Euribor anspricht, nicht offensichtlich.
Dokumentation der Zinssicherung
In Zinssicherungsvereinbarungen ist jedoch erstaunlicherweise schon länger eine Regelung in Bezug auf einen negativen Euribor vorgesehen. So heißt es beispielsweise: „Vorbehaltlich einer Aufrechnung nach Ziffer X des Rahmenvertrages zahlt – jeweils an die andere Partei – (i) der Zahler der variablen Beträge A [Bank] an jedem Fälligkeitstag für variable Beträge A den entsprechenden variablen Betrag A [entsprechender Euribor-Satz]; (ii) der Zahler der variablen Beträge B [Kreditnehmer] an jedem Fälligkeitstag für variable Beträge B den entsprechenden variablen Betrag B. Falls der variable Satz A [entsprechender Euribor-Satz] negativ ist, zahlt der Zahler der variablen Beträge B [Kreditnehmer] an dem betreffenden Fälligkeitstag für variable Beträge A zusätzlich den als absoluten Betrag ausgedrückten variablen Betrag A an den Zahler der variablen Beträge A [Bank].“ In diesem Fall hat der Kreditnehmer den absoluten Betrag des negativen Euribor zusätzlich zu entrichten, er trägt also für diesen das Risiko.
Zusammenspiel Zinssicherung und Kreditvertrag
Wie ist vor diesem Hintergrund das Zusammenspiel von Zinssicherung und Kreditvertrag zu bewerten? In der Regel werden Zinssicherungsdokumentation und Kreditvertrag bei einer Immobilienfinanzierung mittlerweile stets mit derselben Bank abgeschlossen. Sofern der Kreditvertrag den Zusatz enthält, dass bei einem negativen Euribor ein Wert von Null angesetzt wird, verringert sich die Marge bei Berücksichtigung des negativen Referenzzinssatzes nicht um diesen Wert. Gleichzeitig erhält die Bank unter der Zinssicherungsdokumentation eine zusätzliche Zahlung als Ausgleich für den negativen Euribor; sie profitiert also davon. Enthält der Kreditvertrag diesen Zusatz nicht, ergibt sich in der Regel gemäß Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, dass der negative Euribor von der Marge abzuziehen ist. Wohlgemerkt nach dem objektiven Empfängerhorizont. Tatsächlich gewollt dürfte das von der Bank nicht sein. Nach Bankinformation ist es wohl so, dass die zinsberechnende Stelle einen negativen Euribor technisch nicht darstellen kann. Schwieriger wird allerdings der Fall, dass der Euribor so negativ wird, dass er die absolute Zahl der Marge erreicht oder übersteigt. Allerdings dürfte dies ein rein theoretisches Problem sein, für das gegebenenfalls auf das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage
(§ 313 BGB) zurückzugreifen ist.
Im Zweifel für den negativen Euribor
Ist der unter einem Kreditvertrag zu zahlende Euribor-Satz negativ, der absolute Betrag des Euribor aber nicht gleich oder größer als der absolute Betrag der Marge, kann mit großer Wahrscheinlichkeit von Folgendem ausgegangen werden: Ein Richter würde bei der Auslegung eines Kreditvertrags (ohne Regelung zu einem negativen Referenzzinssatz) vor dem Hintergrund des Zinssicherungsvertrags (mit einer Regelung zu einem negativen Referenzzinssatz) die Marge entsprechend um den negativen Euribor-Satz reduzieren.
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