Drei Fragen an ...

Was haben die Finanzaufseher in Sachen ESG und Greenwashing vor, Frau Berger?

Lucina Berger © Hengeler Mueller
Lucina Berger © Hengeler Mueller

Die einen würden den Finanzsektor am liebsten als Wunderwaffe gegen den menschengemachten Klimawandel einsetzen, die anderen halten ESG-Maßnahmen per se für übergriffig und nutzlos. Doch zwischen den Extrempositionen nimmt die Regulierung immer konkretere Formen an – der „Sustainable Finance“-Zug rollt. Wir haben Lucina Berger, Partnerin bei Hengeler Mueller, gefragt, womit die Branche 2024 rechnen muss.

Frau Berger, seit Mitte vergangenen Jahres gilt die novellierte MaRisk, die erstmals auch die Abbildung von ESG-Risiken gemäß der EU-Richtlinie SFDR im Risikomanagement von Finanzinstituten verlangt. Was hat sich damit in der Praxis geändert und wo liegen die Herausforderungen?

Mit der 7. MaRisk-Novelle hat die BaFin die zuvor lediglich in einem Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zusammengefassten Best Practice-Empfehlungen zur strategischen Befassung mit ESG-Risiken nunmehr explizit in den (prüfungsrelevanten) Regelungskanon der MaRisk aufgenommen. Mit der auf diese Weise verankerten, primär auf Risiken fokussierten Nachhaltigkeitsbetrachtung setzt die BaFin zugleich entsprechende Vorgaben der EBA zur Kreditvergabe und Überwachung um.

Für die Praxis liegen die Herausforderungen – wie so oft bei Nachhaltigkeitsthemen – primär in der häufig für eine angemessene Risikobetrachtung nach wie vor fehlenden Datenbasis. Das gilt nicht nur für historische Daten. Auch die bei der Befassung mit ESG-Risiken und der Bewertung dieser Risiken für einzelne Institute notwendig zu treffenden zukunftsbezogenen Annahmen – etwa über zukünftige Entwicklungen im Bereich der Technologie, der Politik oder des Klimas – erfordern neue Prozesse und Verfahren, um zu halbwegs belastbaren Ergebnissen führen zu können. Insbesondere für langfristige ESG-Risiken, die im Zuge der Transition hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu berücksichtigen sind, fehlt es dabei nicht selten an wissenschaftlich fundierten und methodisch abgesicherten Verfahren zur Ermittlung der erforderlichen Daten. Dasselbe gilt für die Modellierung der aus den entsprechenden Daten resultierenden Risiken für das konkrete Institut und die daraus abzuleitenden Steuerungsmodelle.

Da die risikobasierte Betrachtung von Nachhaltigkeitsthemen indes perspektivisch auf deutscher und europäischer Ebene weitere Regulierung erfahren wird (etwa durch die anstehende Novelle der CRD VI), bietet die MaRisk in ihrer neuen Fassung Instituten trotz der genannten Herausforderungen bereits jetzt Anlass, sich auf künftige Regulatorik in diesem Bereich vorzubereiten.

Nach dem jüngsten Klima-Stresstest im Sommer 2023 hat die EZB härtere Vorgaben für die großen Banken in Europa angekündigt, inzwischen fällt auch schon einmal das Stichwort makroprudenzielle Überwachung von Klimarisiken. Worauf müssen sich die Institute einstellen?

Die deutschen und Europäischen Aufsichtsbehörden haben schon seit einiger Zeit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass Institute ESG-Risiken als wichtige Bestandteile in ihre Risikomanagement und Risikosteuerungsprozesse einbeziehen müssen, um gegen entsprechende Risiken widerstandsfähiger zu werden. Die 7. MaRisk-Novelle bringt diese Forderung nun auch in einem ersten Regelwerk zum Ausdruck.

Institute werden sich darauf einstellen müssen, dass die Anforderungen an das Ermitteln, Bewerten und die Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken regulatorisch verankert werden und dass die Anforderungen an die Einrichtung entsprechender Prozesse (einschließlich adäquater Dokumentation) steigen werden. Der Fortschritt der Institute bei der Entwicklung dieser Prozesse wird in den nächsten Jahren mit hoher Sicherheit im Fokus aufsichtlichen Interesses stehen.

Voraussichtlich im Mai werden die europäischen Aufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA ihren „Final Report“ zur Greenwashing-Problematik vorlegen. Wie haben sich diese Instanzen bisher dazu positioniert und welche Neuregelungen sind zu erwarten?

Den europäischen Aufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA ist es ausweislich ihrer 2023 veröffentlichten Fortschrittberichte zu Greenwashing ein gemeinsames Anliegen, den regulatorischen Rahmen für die Verwendung ESG-bezogener Aussagen klarer abzustecken und auf diese Weise „Greenwashing“ zu bekämpfen. Greenwashing wird dabei als Praxis umschrieben, bei der nachhaltigkeitsbezogene Aussagen, Erklärungen, Maßnahmen oder Mitteilungen das zugrundeliegende Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens, eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstleistung nicht klar und angemessen widerspiegeln.

Vor diesem Hintergrund sind strengere und genauere Normen zu erwarten, die einen Rahmen für die Verwendung nachhaltigkeitsbezogener Attribute vorgeben, etwa durch Änderungen der SFDR. Ferner ist mit einer Ausweitung der Kontrollbefugnisse der zuständigen Behörden zu rechnen, um die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben zu sichern.

Lucina Berger ist Partnerin im Frankfurter Büro der Sozietät Hengeler Mueller und berät im Gesellschaftsrecht, insbesondere zu Fragen der Corporate Governance, Compliance und Haftung, bei Umstrukturierungen und M&A-Transaktionen. 

 

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