Märkte

Gezeitenwechsel in Lateinamerika?

An den Finanzmärkten ziehen die Konflikte der Region ihre Kreise.
An den Finanzmärkten ziehen die Konflikte der Region ihre Kreise.

Offenbar ist viel in Bewegung gekommen südlich des Rio Grande: Mexiko wählte schon im vergangenen Jahr mit Andrés Manuel Lopez-Obrador einen linken Präsidenten. In Brasilien schaffte es der wirtschaftsliberale Mitte-Rechts-Kandidat nicht einmal bis in die Stichwahl, die dann den Sieg des schon leicht nach Faschismus riechenden Rechtspopulisten Jair Bolsonaro über seinen linken Gegenkandidaten brachte.

In Argentinien kehrten die Peronisten nach nur einer Amtszeit des wirtschaftsliberalen Mauricio Macri zurück an die Macht. Und nun wackelt auch Chile: Hier konzipierten die so genannten Chicago Boys als Berater des Putschisten und Diktators Augusto Pinochet eine Marktwirtschaft nach den vor allem von Friedrich Hayek geprägten Maximen der Österreichischen Schule. Zunehmend gewalttätige Massendemonstrationen in ganz Chile unterstreichen die massive Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise. Die politische Wende mit dem Abtritt des Diktators hat eben nicht die von der Diktatur geschaffenen sozialen Strukturen beseitigt. Die zugunsten der etablierten Eliten verzerrte Verteilung von Einkommen und Chancen, etwa durch den Zugang zu höherer Bildung, wurde ungleicher – und das hat sich bis heute kaum geändert. Wie zum Ende der formellen Diktatur vereinnahmt das oberste Prozent der Bevölkerungspyramide rd. 25% des gesamten verfügbaren Einkommens, die oberen 10% der Bevölkerung zusammen rd. 55%. Eine Schlagseite dieser Größenordnung lässt sich überdecken, solange das Wachstum auch den Benachteiligten erkennbare Einkommenszuwächse verschafft.

Mit dem Abkühlen der globalen Konjunktur im Gefolge der von der US-Administration losgetretenen Handelskonflikte werden diese Spielräume gerade in Südamerika kleiner. Denn diese Region profitiert mittlerweile stark von der Rohstoffnachfrage Chinas. Der Rückgang der chinesischen Nachfrage nach Erzen oder Agrarprodukten schlägt direkt auf das Wachstum der Südamerikaner durch. Die schrumpfenden Verteilungsspielräume verschärfen die hinter den politischen Verschiebungen stehenden sozialen Konflikte auf dem ganzen Subkontinent. Hinzu kommt die US-Handelspolitik, die darauf zielt, aus Lohngründen ins Ausland abgewanderte Produktionen mit Hilfe von Zöllen zurück in die USA zu holen. Das führt allenthalben auf dem traditionellen südamerikanischen Hinterhof zu einer geringeren US-Nachfrage. Dieser doppelte Stress deckt die sozialen Bruchlinien auf und heizt die Konflikte an. Die aufbrechenden Konflikte belasten die Finanzmärkte und machen die Region zu einem unterdurchschnittlichen Investmentziel. Da eine Besserung nicht in Sicht ist, sollte das Gewicht Südamerikas generell verkleinert werden.

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