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Argentinien – Menems Widergänger

Für die am 22. Oktober angesetzten Präsidentschaftswahlen gilt Xavier Milei den Umfragen zufolge als klarer Favorit.

Stand heute würde er mit 35% der Stimmen an der Spitze liegen. Um den zweiten Platz konkurrieren Sergio Massa und Patricia Bullrich mit Anteilen nahe 25%, bei leichten Vorteilen für Massa. Bei diesem Ergebnis wäre eine Stichwahl im November erforderlich, die Milei gegen beide gewinnen würde. Zwei weitere Kandidaten gelten als chancenlos. Ein Sieg in Runde eins erfordert mind. 45% der Stimmen oder 40% und einen Vorsprung von 10 Prozentpunkten vor dem Zweitplatzierten, was derzeit unrealistisch erscheint. Treffen die Umfragen zu, läuft es auf Milei hinaus. Er hat den Demoskopen zufolge als einziger Kandidat bei Wählern ein positives Image. Das dürfte daran liegen, dass die Inflation als bei Weitem wichtigstes Thema gilt.

Milei wartet mit einem verführerischen Plan auf: Er ist gewillt, das mit dem Default von 2001 definitiv gescheiterte Experiment des damaligen Präsidenten Carlos Menem mit einer festen Bindung an den Dollar (1:1 zum Peso) zu wiederholen. Dieser Schritt führte zusammen mit weiteren Liberalisierungen und vor allem Privatisierungen zu einer Zähmung der Inflation und ein paar Jahren des Wirtschaftswunders. So schnell der Aufstieg gekommen war, so schnell ging es auch bergab, da der Pferdefuß dieser Strategie zutage trat. Es entsteht ein „moral hazard“-Problem: Jede feste Bindung (etwa Argentiniens) an den Dollar etwa durch ein Currency Board macht Peso-Anlagen auf dem Papier zu einem glatten Substitut von US-Anlagen – mit einem zunächst kleinen Haken: Die politisch beschlossene Bindung könnte jederzeit rückgängig gemacht werden. Dieses Risiko muss durch eine Risikoprämie (Renditeaufschlag für Peso-Anlagen) ausgeglichen werden, was wiederum Zuflüsse in Peso-Anlagen auslöst, die einen Aufwertungsdruck erzeugen, der sich aber nicht im (fixierten) Devisenkurs niederschlagen kann, sondern in neuerlich steigende Inflationsraten und eine reale Überbewertung des Peso mündet(e). Die Verschuldung im Ausland wird damit günstig, während die internationale Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Wirtschaft verdampft und das Leistungsbilanzdefizit 
explodiert.

Die heimische Industrie brach unter dem Druck der billigen Konkurrenz aus dem Ausland zusammen. Dazu kamen Massenentlassungen der privatisierten Staatsbetriebe. Vor den Jobbörsen bildeten sich lange Schlangen, genauso wie vor den Suppenküchen. Dass einige Korruptionsaffären Menems und seiner Umgebung hinzukamen, hatte keinen Einfluss auf das Ergebnis des währungspolitischen Experiments. Es stützt aber bis heute die irreführende Trennung der Erzählung vom Wirtschaftswunder durch eine Dollar-Bindung vom nachfolgenden Zusammenbruch. Den „verkauft“ der Kandidat Milei politisch recht erfolgreich als Folge der Korruption. Da die Argentinier gewillt scheinen, ihm zu glauben, haben sie bedauerlich gute Aussichten, die Erfahrung von 2001 zu wiederholen. Das seit über 20 Jahren aktuelle Thema „Argentinien-Anleihen“ bleibt auf der Tagesordnung. mk

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