Märkte

Osteuropa – Erster Schritt aus der EU heraus?

Die Europäische Kommission meldet  „ernsthafte Bedenken“ zur Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn an.
Die Europäische Kommission meldet „ernsthafte Bedenken“ zur Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn an. © CC0

_ Die Europa-Abgeordneten der ungarischen Regierungspartei Fidesz haben die EVP-Fraktion der christdemokratischen und konservativen Parteien verlassen. Sie kamen dem Rauswurf wohl nur zuvor. Dieser Schritt hat gute Chancen, sich nachträglich als Beginn des EU-Austritts Ungarns zu erweisen. Anlass war der Beschluss über eine Geschäftsordnung der EVP-Fraktion, die Ausschlüsse und Suspendierungen von Gruppierungen vorsieht, sofern diese sich von den Grundwerten der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entfernen, wie es viele Christdemokraten bei den Fidesz-Leuten als gegeben sehen.

Offenbar hat Viktor Orban seine Bedeutung für die Machtverhältnisse innerhalb der EU überschätzt: Die EVP bleibt auch nach dem Abgang der zwölf Fidesz-Vertreter mit 175 Abgeordneten stärkste Kraft, vor den Sozialdemokraten mit 145. Die Rechtspopulisten (ID) kämen auf 87 Mitglieder und blieben damit die viertgrößte Gruppe im EU-Parlament hinter den Liberalen (97) und vor den Grünen (73). Zudem würde ein Beitritt zur ID-Fraktion wohl Ungarns Zukunft innerhalb der EU infrage stellen: Die Regierungspartei eines Mitgliedsstaates als Teil der EU-feindlichen ID-Fraktion wäre wohl kaum längere Zeit tragfähig.

Damit löst sich die Ungarns Regierung bewusst von den Kräften, die sie bisher als EU-Verbündete ansehen konnte. So waren es immer wieder Christdemokraten wie der von der österreichischen ÖVP gestellte Erweiterungskommissar Johannes Hahn und die Riege der CSU-Abgeordneten, die allzu genaue Untersuchungen etwa der Vergabepraxis von EU-Mitteln in Ungarn verhinderten. Der AfD-Parteichef Jörg Meuthen hat wohl Recht mit seiner Behauptung, dass „Viktor Orban und der Fidesz unserer Fraktion inhaltlich viel näher sind als der EVP“. Nur kann die AfD weder Orban noch Jaroslaw Kaczynski die Zuschüsse bieten, die die EU ihnen überweist.

Ohne diese Mittel stehen beiden Staaten aber heftige Wirtschaftskrisen ins Haus: Nachfragerückgänge von 3 bis 5% vom BIP lösen eine Rezession aus. Vor diesem Hintergrund erhalten die inzwischen deutlicher erkennbaren Bestrebungen der EU-Kommission, an den nationalen Regierungen und ihren Veto-Optionen vorbei finanzielle Sanktionen gegen Ungarn und Polen zu verhängen, zusätzliche Wucht. Wenn am langsam absehbaren Ende des Weges die Kommission, gestützt auf den EuGH, Ungarn und Polen die EU-Mittel kürzt, kommt es zum Schwur: Entweder sie bleiben in der EU, kommen ihren vertraglichen Pflichten nach und erhalten damit weitere Finanzhilfen und Zugang zum EU-Binnenmarkt oder sie müssen, eingeklemmt zwischen der EU und Russland, einen Weg finden. Als erklärte Verächter rechtsstaatlicher Verhältnisse sollten sie mit schlechteren Bedingungen der EU rechnen, als sie UK erhält.

Der Austritt der Fidesz-Abgeordneten unterstreicht: Solange Polens und Ungarns Bürger ihre rechtpopulistischen Parteien in der Regierung bestätigen, wächst das Risiko eines EU-Austritts, der ein Beben auf den Kapital- und Devisenmärkten der Osteuropäer auslösen würde.

Wir sehen daher unsere Präferenz für Tschechien auch auf dieser Ebene untermauert.

PLATOW Emerging Markets – Probeabo jetzt abschließen!.

{{ name }} Chart
{{ name }} Aktie auf wallstreet:online

ARTIKEL DIESER AUSGABE

Märkte | 04. März 2021

Japan – Es tut sich etwas

Der japanische Aktienmarkt hat im Februar ein fulminantes Comeback gefeiert, als der Nikkei 225 erstmals seit 30 Jahren über 30 000 Punkte kletterte. Mittlerweile liegt der Tokioter... mehr

Rohstoffe | 04. März 2021

Vale-CEO macht Aktionäre froh

Die vergangenen Jahre war Vale vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die verlustreichen Kohle-Aktivitäten in Mosambik, vor allem aber der Dammbruch in Brumadinho, bei dem 2019 270 Menschen... mehr

Tourismus | 04. März 2021

MakeMyTrip – Auf Erholungsreise

Die Aktienmärkte haben in den vergangenen Monaten kräftig Fahrt aufgenommen. Es sind vor allem die Fortschritte an der Impfstoff-Front, die für Zuversicht sorgen. Die Hoffnung auf den... mehr

Internet | 04. März 2021

Mail.Ru – Facebook auf Kyrillisch

Wer nach einem spannenden Investment ins russische Internetgeschäft sucht, der sollte einen Blick auf die Aktie der Mail.Ru-Gruppe werfen (22,20 Euro, A1C8BP, US5603172082). Anders als... mehr

Motoren | 04. März 2021

Weichai Power stapelt nicht hoch

Die deutsche Kion (Gabelstapler und Lieferketten) dürften PLATOW-Leser sicherlich kennen. Aber nicht jeder weiß, dass sich Kion zu über 45% im Eigentum der chinesischen Weichai Power... mehr

Rohstoffe | 04. März 2021

Lukoil – Öl hat noch Luft nach oben

Für Lukoil-Investoren wird es am 10.3. spannend. Für diesen Tag ist die turnusmäßige Finanzkonferenz für das Zahlenwerk zum jüngsten Quartal per 31.12. geplant. Hier wird es diesmal... mehr