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Argentinien – Anlauf nehmen im Trümmerfeld

Macris wirtschaftspolitischen Experimente zünden  nicht. Neue Gelder vom IWF gibt es trotzdem.
Macris wirtschaftspolitischen Experimente zünden nicht. Neue Gelder vom IWF gibt es trotzdem. © CC0

_ Argentinien lässt sich kaum anders als ein Trümmerfeld wirtschaftspolitischer Konzepte beschreiben: Auf die verheerende linkspopulistische Politik der Kirchner-Ära folgte mit finanzieller und konzeptioneller Unterstützung des IWF das marktliberale Experiment der Administration von Mauricio Macris – mit nicht weniger schauerlichen Resultaten.

Die Teuerung liegt bei 3,8% monatlich, 37,1% bezogen auf die letzten zwölf Monate. Die am Markt erkennbaren Erwartungen für die kommenden zwölf Monate liegen bei 50%. Der Peso wertet ziemlich gleichmäßig ab, der US-Dollar verteuert sich bislang monatlich um etwa 4,1 Peso, was ca. 5% entspricht. Die Lage Argentiniens ist und bleibt desolat, zumal das ausgepowerte Land nun auch von der Pandemie getroffen wird. Die eher optimistische IWF-Prognose für 2020 beläuft sich auf einen BIP-Rückgang um fast 12%, gefolgt von einer überschaubaren Erholung um 4,9%. Argentinien würde damit wenigstens aus der schon vor der Corona-Krise laufenden Rezession herauskommen.

Im Sommer gelang Wirtschafts- und Finanzminister Martin Guzman immerhin nach monatelangen Verhandlungen mit den Gläubigern der Abschluss eines Umschuldungsabkommens, mit dem Anleihen im Volumen von rd. 80 Mrd. Dollar nach einem Schuldenschnitt so umstrukturiert wurden, dass die Belastung durch den laufenden Kapitaldienst für die nächsten zehn Jahre um 33,3 Mrd. Dollar erleichtert wird. Zugleich steht Guzman vor einer Verschärfung der sozialen Spannungen im Land, etwa durch den sich abzeichnenden Streik von Berufsgruppen im Geschäft mit Ölsaaten und Getreide, die den Export der wichtigsten Ausfuhrgüter lahmzulegen drohen. Die Beschäftigten fordern einen Inflationsausgleich für die Löhne. Unterdessen droht ein neues Schuldenproblem: Die Tilgungstermine von Krediten, die der IWF im Zuge früherer Krisen gewährte, rücken näher: Rd. 44 Mrd. Dollar müssen zurückgeführt werden. Dies sei unausweichlich, wie Minister Guzman einräumte: Ein Ausfall würde Argentinien erneut zu einem Paria auf den internationalen Märkten machen.

Nachdem auch der IWF selbst kaum mehr daran zweifelt, dass das von ihm konzipierte und von der Macri-Administration durchgezogene Liberalisierungsprogramm und die in diesem Zuge gewährten Kredite nur als Hilfe zum Scheitern anzusehen sind, ist der IWF sehr bereitwillig auf die Bitte um frisches Geld eingegangen. Das Lateinamerika-Team des IWF begrüßte ausdrücklich den Vorstoß für die Bereitstellung von Mitteln, wie er kürzlich in einer Presseinformation im Anschluss an Beratungen mit den argentinischen Behörden bestätigte. Demnach wird derzeit ein neues wirtschafts- und sozialpolitisches Programm entwickelt, das die sozial am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen schützen, die makro-ökonomische Stabilität unterstützen und vor allem einen frischen Kredit aus Extended Fund Facility mit langer Laufzeit erbringen soll. Nachdem alle Irrtümer ausgeschöpft wurden, könnte nun ein gangbarer Weg gefunden werden.

Wer daran als Investor partizipieren will, muss einen sehr langen Atem mitbringen, alle anderen sollten den Markt vorerst meiden.

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