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Ungarns Regierung auf Augenhöhe mit Trump

Die Europäische Kommission meldet  „ernsthafte Bedenken“ zur Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn an.
Die Europäische Kommission meldet „ernsthafte Bedenken“ zur Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn an. © CC0

_ Dass die ungarische Regierung nicht den besten Ruf hat, dürfte niemanden überraschen. Es ist aber trotzdem erstaunlich, dass der Kurznachrichtendienst Twitter die Budapester Regierung ebenso wie den US-Präsidenten behandelt und bei allzu heftigen Tiraden und offensichtlichen Fake-News vom Netz nimmt. Regierungssprecher Zoltan Kovacs musste auf sein persönliches Twitter-Konto zurückgreifen, um seiner Empörung Luft zu machen. Unterdessen verwies ein Unternehmenssprecher auf den Rechtsstaatsbericht der Europäischen Kommission hin, in dem „ernsthafte Bedenken“ zur Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn und Polen geäußert werden.

Indes scheint Budapest vorerst keine ernstzunehmenden finanziellen Konsequenzen ihrer Machenschaften befürchten zu müssen. Der Vorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft zur umstrittenen Rechtsstaatsbindung ist so wachsweich, dass er wie eine Kapitulation vor den Rechtspopulisten in Osteuropa wirkt. Indes dürfte das Motiv für die Willfährigkeit gegenüber den Kaczinskis und Orbans wohl in erster Linie institutionellen Überlegungen geschuldet sein: Jede Regelung mit scharfen Konsequenzen für die Verletzung rechtstaatlicher Normen ist mit einem Machtverlust der nationalen Regierungen innerhalb des EU-Gefüges zugunsten, entweder der EU-Kommission (des „Brüsseler Apparates“) oder des EU-Parlaments verbunden.

Die Regierungen sind aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten und Erpressungspotenziale kaum in der Lage, fühlbare Sanktionen untereinander zu verhängen. Das könnte nur ein Gremium, das von den Regierungen in gewissem Maß unabhängig ist. Die Macht zur Sanktionierung wollen aber auch die scharfen Kritiker der Osteuropäer unter den Regierungschefs nicht abgeben. Stattdessen werden Macron, Merkel oder auch der Niederländer Rutte weiterhin zähneknirschend Polen und Ungarn, der Slowakei oder Bulgarien und Rumänien die finanziellen Zuwendungen gewähren, mit denen dort die auf Korruption und Machtmissbrauch beruhenden Regierungssysteme finanziert und abgesichert werden.

Allerdings ist die Sache damit nicht ausgestanden, denn das Parlament wird den Haushalt und den damit verknüpften Corona-Hilfsfonds wohl kaum ohne Widerstand passieren lassen. Damit droht eine Blockade, die kurzfristig vor allem den stark von der Corona-Pandemie betroffenen Staaten schaden würde und zudem den Euro wohl auch wieder unter Druck bringen würde. Insofern bleibt das Problem auf der Tagesordnung und damit das latente Risiko, ähnlich wie die Briten, aus der EU herauszufallen. Das Beispiel der Briten zeigt aber, dass dieser Schritt schon für ein entwickeltes Industrieland zu einer existenziellen Krise werden kann. Die osteuropäischen Volkswirtschaften würden damit wichtige Zuwendungen und den Zugang zu ihren Märkten verlieren. Dieses Worst-Case-Szenario ist nicht besonders wahrscheinlich. Es bleibt aber als beständige Drohung im Hintergrund und dürfte die Märkte immer wieder belasten.

Von daher sind die enger mit den EU-Kernstaaten verbundenen Balten auch die attraktiveren Investmentziele als Polen oder Ungarn.

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