Aktien-Momentum-Strategie

Vor- und Nachteile des Marktfilters

Auch rund um das Börsenparkett scheint es mit dem Coronavirus momentan nur ein Thema zu geben. Kein Wunder, schließlich droht uns eine weltweite Rezession, wie wir sie schon lange nicht mehr erlebt haben. Die Unternehmensgewinne werden zum Teil dramatisch ein- bzw. wegbrechen und einige Konzerne dürften nur mit üppigen Staatshilfen überhaupt noch am Leben gehalten werden. Prognosen, die vor Corona ausgesprochen wurden, sind längst hinfällig.

Das hat zur Folge, dass auch die Analysten ihre Rechner neu anwerfen und dabei mit deutlich weniger zuverlässigen Schätzungen arbeiten müssen. Ob Aktien auf ihrem aktuellen Niveau schon günstig oder immer noch zu teuer sind, lässt sich damit nur sehr schwer beantworten. Zu unsicher ist, wie sich die Krise kurz- und gerade auch mittelfristig auf Umsätze, Gewinne und Bilanzkennziffern der Unternehmen auswirkt.

Vor allem diese Unsicherheit hat die Talfahrt an den Börsen in den vergangenen Wochen angetrieben. Die laufende Erholung wird von den meisten Analysten lediglich als technische Gegenbewegung interpretiert. An eine V-Umkehr der Aktienkurse glaubt aktuell kaum jemand. Nach einem solch dramatischen Kurseinbruch wäre eine längere Phase der Bodenbildung (auf welchem Niveau auch immer) tatsächlich „normaler“. Nur weil es früher so war und nun fast alle erneut damit rechnen, muss es aber natürlich nicht so kommen. Wir haben uns bei PLATOW Derivate entschieden, den Blick in die Kristallkugel anderen zu überlassen. Wir orientieren uns stattdessen an dem, was der Markt uns anzeigt. Der hat ja bekanntlich ohnehin immer Recht. Aus diesem Grund haben wir bei unserer Aktien-Momentum-Strategie auch am 4. März alle Long-Trades aufgelöst und halten seitdem 100% Cash bei diesem Depot-Baustein. Zu diesem Zeitpunkt stand der uns als Benchmark dienende HDAX bei gut 6 700 Punkten. Anschließend fiel der Sammelindex im Tief bis auf unter 4 600 Punkte. Ein Minus von über 30%, das wir durch unseren Marktfilter vermeiden konnten. Der besagt, dass alle Depotwerte verkauft werden, sobald der HDAX an einem unserer wöchentlichen Stichtage einen RSL-Wert von weniger als 0,95 ausweist. Das ist immer dann der Fall, wenn der Index seine 130-Tage-Linie um mehr als 5% unterschreitet. Neuaufnahmen sind erst dann wieder möglich, wenn der Index an einem Stichtag über der 130-Tage-Linie geschlossen hat.

In der aktuellen Phase scheint die Warnsignal-Funktion ihren Zweck also voll zu erfüllen. Doch welche Auswirkungen hätte so ein Marktfilter auf lange Sicht gehabt? Wie versprochen liefern wir Ihnen heute einige Details. Dazu haben wir uns die Kursentwicklung des HDAX in den vergangenen 26 Jahren angesehen. Das Gesamtergebnis ist dabei erst mal relativ ernüchternd. Wenn wir – wie bei unserem Depot in der Regel der Fall – den Dienstag als entscheidenden Wochentag für Kauf- und Verkaufsignale festlegen, hätte der HDAX die in dem Fall relevante Kursmarke seit 1994 insgesamt 20-mal unterschritten. In 70% dieser Fälle wäre der spätere Einstieg in den Markt auf einem höheren Niveau erfolgt, sprich der HDAX wäre während der Investitionspause gestiegen. In einigen Fällen sogar recht deutlich, wie Pluszeichen von bis zu gut 10% belegen. In Summe hätte man mit dieser Strategie eine um ca. 7% schlechtere Performance erzielt als bei einem dauerhaften Investment. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der ausgewählte Wochentag bei diesen Berechnungen eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Hätte man die Mittwochs-Schlusskurse als Entscheidungskriterium genommen, hätte die Strategie mit Marktfilter um 12% besser abgeschnitten als der HDAX. Bei einer Festlegung auf Freitag oder Montag hingegen wäre eine größere Underperformance von 17% bzw. 32% entstanden. In all diesen Zahlen ist die aktuelle Auszeit allerdings noch nicht berücksichtigt.

Warum haben wir nun also einen solchen Filter eingebaut, der mit einer Trefferquote von 20 bis 30% (je nach Wochentag) nur selten einen Mehrwert generiert und durch den sich auch unter dem Strich die Performance zumindest nicht spürbar verbessert? Die Antwort bekommen Sie beim Blick auf die aktuellen Turbulenzen exklusiv auf dem Silbertablett serviert. Zwar „funktionieren“ solche auf den Gleitenden Durchschnitten basierenden Marktfilter nicht allzu häufig. Wenn es an den Börsen aber mal heftig kracht, dann verhindern sie die für alle Beteiligten richtig schmerzhaften Verluste.

Der Kursverlauf Ihres Depots wird entsprechend ruhiger, weil die ganz großen Ausschläge nach unten im Normalfall nicht mitgenommen werden. Das ist vor allem aus psychologischer Sicht enorm wichtig. Wenn Sie sich die Entwicklung der vergangenen 26 Jahre im Nachhinein ansehen, werden Sie die zwischenzeitlichen Kurseinbrüche keinen großen Kummer bereiten. Wenn Sie aber im Moment des Crashs voll investiert sind und Verluste von 50% und mehr zu beklagen haben, dann verändert sich Ihr Blick auf das Geschehen ganz entscheidend. Nur ganz wenige Anleger können dann mit Blick auf ihren langfristigen Anlagehorizont noch ruhig schlafen. Es kommen automatisch Zweifel auf und das Vertrauen in die ausgewählte Strategie geht ein Stück weit oder auch komplett verloren. In vielen Fällen führt das dann zum vorzeitigen, frustrierten Ausstieg, nicht selten ganz in der Nähe des (zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht gesicherten) Tiefs. Zudem wird der rechtzeitige Wiedereinstieg häufig verpasst, weil die Kurse ja wieder gestiegen sind und man sich nicht eingestehen will, mit dem Verkauf letztlich „falsch gelegen“ zu haben. All das passiert nicht, wenn man sich an einem festen Regelwerk orientiert und dieses unabhängig vom Bauchgefühl oder externen Analysen/Meinungen auch beachtet.

Doch zurück zur Historie. Der aktuelle Crash ist bereits die dritte Phase unseres Betrachtungszeitraums, in der die Aktienkurse wirklich heftig einbrechen und der Marktfilter wertvolle Dienste leistet. Von Juni 2002 bis April 2003 schützte das Warnsignal vor Verlusten zwischen 34% und 40% (je nach Wochentag). Und das, obwohl der Einstieg erst gut 30% über dem Tief der Korrektur erfolgte. Ähnlich sah es während der Finanzkrise aus, wo der Ausstieg Mitte 2018 erfolgt wäre. Bis zum Wiedereinstieg im April 2009 war der HDAX gegenüber dem Crash-Tief schon wieder um 23% gestiegen. Trotzdem wären durch die Auszeit unter dem Strich massive Verluste zwischen 30% und 36% verhindert worden. In den letzten fünf Monaten des Jahres 2011 gab es dann noch mal eine etwas stärkere Korrekturphase, wo der HDAX während der Investitionspause zwar nicht einbrach, je nach Stichtag aber immerhin zwischen 7% und 18% verlor.

Entscheidend sind aber die Zeiträume, in denen es zu Verwerfungen an den Märkten kommt. Dann ist Cash für eine Weile einfach der beste Ratgeber. Sie erleben das gerade live mit. Auch diesmal wird der Wiedereinstieg wahrscheinlich deutlich über dem Crash-Tief erfolgen und es wird danach ggf. einige Fehlsignale geben. Das alles ist uns aber lieber, als einfach in das fallende Messer zu greifen oder den Einstieg mangels Regelwerk komplett zu verpassen.

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