Unsere Meinung

Die Rezession beginnt am Band

Abfindungsprogramme, Kurzarbeit, tageweise Betriebsstilllegungen oder massiver Stellenabbau – Schlagworte wie diese waren in den vergangen zehn Jahren aus dem deutschem Sprachgebrauch so gut wie verschwunden. Nun sind sie zurück. Und zwar auf breiter Front und in einem Sektor, an dem Wohl und Wehe der heimischen Konjunktur hängen: den Autoherstellern und ihren Zulieferern.

Die einstige Paradedisziplin der deutschen Wirtschaft steckt in ihrer wohl tiefsten Krise. Als wäre der technologische Wandel hin zur E-Mobilität nicht schon herausfordernd genug, drücken die schwächelnde Konjunktur, Brexit-Sorgen und Handelskrieg zusätzlich auf die Absatzzahlen. Die EU-Neuzulassungen sanken im 1. Hj. um 3%, allein im Juni sogar um 8%.

Der Gesamtgewinn der 16 größten Autobauer fiel im Q1 um 28%. Weltweit dürfte die Produktion 2019 um rd. 5% zurückgehen. Noch deutlicher als die Hersteller bekommen das die Zulieferer zu spüren. Die Hj.-Ergebnisse sind von Gewinneinbrüchen übersät (s. „Rundblick“ auf S. 2). Während Continental noch über einen Stellenabbau diskutiert, wird Bosch bis Jahresende ca. 1 000 Arbeitsplätze abbauen und Schaeffler einzelne Werke tageweise stilllegen. Kleinere Zulieferer wie Elringklinger, Dürr, Stabilus oder Norma trifft es noch härter.

Daran wird deutlich: Die Rezession beginnt an den Produktionsbändern der Republik. Das wird Deutschland besonders hart treffen, Wirtschaftsprognosen sehen EU-weit nur Italien schlechter aufgestellt. Anleger müssen sich darauf einstellen. Es gibt zwar noch Perlen im Auto-Sektor: Der Licht- und Sensor-Experte Hella liefert weiter solide Zahlen, auch wenn die Aktie schwächelt. PWO glänzt im Neugeschäft und Varta will künftig auch Auto-Batterien bauen. Derzeit favorisieren wir aber konjunkturunabhängigere Sektoren wie die Medizintechnik oder Immobilien.

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