Persönlichkeit

Christine Lagarde – Draghis langer Schatten

Mario Draghi
Mario Draghi © ECB

Gewandt im Umgang, elegant, mit viel Pariser Schick, dabei stets freundlich. So erlebten wir die Französin Christine Lagarde vielfach, beim WEF in Davos oder auch beim Neujahrsempfang im Frankfurter Römer, als sie als neue EZB-Chefin gefeiert wurde und ihr die Herzen der Financial Community und lokalpolitischer Größen zu Füßen lagen.

Während ihrer Karriere mit einer Reihe eindrucksvoller Stationen – sie wurde u. a. führende Partnerin der Anwaltskanzlei Baker McKenzie – perfektionierte sie ihren Stil, der ihr in den politischen Olymp verholf. In ihrem Heimatland krönte sie ihre Laufbahn, als sie im Kabinett von François Fillon Ministerin für Wirtschaft, Finanzen und Industrie (2007–2011) wurde. Dank ihrer Ausbildung, ihres beruflichen Lebensweges und nicht zuletzt ihres gewinnenden Auftritts gehörte sie zur „Personalreserve“ französischer Präsidenten für die Besetzung hochkarätiger internationaler Posten. Als IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn 2011 über einen Skandal stürzte, ebnete Nicolas Sarkozy mit Lagarde der ersten Frau den Weg an die Spitze des IWF. Im Forbes-Ranking stieg sie in den Jahren 2019 und 20 zur zweitmächtigsten Frau der Welt, jeweils hinter Angela Merkel, auf und genoss den Auftritt. Als der Posten an der EZB-Spitze nach acht Jahren mit Mario Draghi 2019 frei wurde, musste Frankreich Flagge zeigen. Im Zuge des legendären europäischen Postenpokers von Emanuell Macron und Merkel gelangte Lagarde auf den Präsidentenstuhl der EZB, die deutsche Ursula von der Leyen übernahm die Führung der EU-Kommission und die Osteuropäerin Kristalina Georgiewa wurde an die Spitze des IWF entsandt. Während Lagarde für den IWF ein Glücksfall und eine Idealbesetzung war, ist sie es als Juristin für die EZB nicht, wie sich zunehmend zeigt.

Draghi verfügte über ein tiefes Verständnis für die Märkte und große Fähigkeiten, mit diesen zu kommunizieren. Er konnte seine Autorität als weithin anerkannter Ökonom in die Waagschale werfen und, wie sich gezeigt hat, als Premier Italiens sogar das dortige politische Chaos beenden. Seinen wissenschaftlichen Background in der Geldtheorie hat er bei Goldman Sachs und später bei der Banca d’Italia praktisch schärfen können. Mithin ist der Fußabdruck, den Darghi hinterließ, auch für eine politisch versierte Juristin wie Lagarde reichlich groß. Wie sich zunehmend zeigt, zu groß. Jedenfalls gelang es Lagarde bisher nicht so gut wie ihrem Vorgänger, die Dissonanzen im EZB-Rat in der Zinsfrage zu überspielen. Im Außenauftritt hatte Draghi durch Habitus und Wortwahl „Whatever it takes . . .“ nie einen Zweifel aufkommen lassen, dass er die geldpolitischen Zügel fest in der Hand hielt. Die von Jean-Claude Trichet kurz vor Ende dessen Amtszeit im Juli 2011 erhöhten Zinsen nahm er postwendend zurück und läutete einen acht Jahre währenden Zyklus sinkender Zinsen ein. Jetzt hat Lagarde den richtigen Zeitpunkt für die Wende verpasst.

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