Gastbeitrag

„Das neue StaRUG kann zum Krisenretter werden“

Wolfram Prusko
Wolfram Prusko © Kirkland & Ellis

_ Mitten in der Corona-Krise bringt der deutsche Gesetzgeber ein neues Gesetz auf den Weg, das den rechtlichen Rahmen für Restrukturierungen in Deutschland neu definiert. Eigentlicher Auslöser ist die Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie. Warum die Reform zur rechten Zeit kommt und wie sie zum Krisenretter werden kann, erläutert Rechtsanwalt Wolfram Prusko von Kirkland & Ellis.

Die Covid-19-Pandemie stellt Unternehmen in aller Welt auf eine wirtschaftliche Belastungsprobe von enormem Ausmaß. Die Bundesregierung steuert seit Monaten mit umfangreichen Maßnahmen gegen und ist bemüht, durch finanzielle Hilfen, Kurzarbeitergeld und nicht zuletzt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Unternehmen bestmöglich zu stützen. Klar ist aber auch: Die Maßnahmen werden nicht in allen Fällen hinreichend und dauerhaft wirken. Nicht wenige Unternehmen bringt die Krise an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit.

Die Europäische Union hat schon längst die Weichen für ein effizienteres Sanierungs- und Insolvenzrecht gestellt und dazu die Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (EU) 2019/1023 (Restrukturierungsrichtlinie) verabschiedet. Hierin verpflichtet sie die Mitgliedstaaten zur Schaffung eines Rechtsrahmens, der es Unternehmen in der Krise ermöglichen soll, den Betrieb aufrechtzuerhalten und gleichzeitig ein Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren durchzuführen, das stärker auf einen Dialog zwischen den Beteiligten setzt als bisherige Verfahren. Bis zum 17. Juli 2021 sollen die EU-Staaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben.

In Zeiten von Corona ist es Unternehmen zu wünschen, dass dies schneller geschieht. Und die Chancen stehen in Deutschland gut. Die Bundesregierung hat dem Parlament einen Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) vorgelegt. Das SanInsFoG enthält u. a. das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) und setzt Änderungen der Insolvenzordnung um. Ziehen die Gesetzgebungsorgane an einem Strang, können die Gesetze bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.

StaRUG hilft Insolvenzen abzuwenden

Für Unternehmen mit im Kern solidem Geschäftsmodell stellt das StaRUG das Herzstück der Reform dar. Denn das neue StaRUG eröffnet ihnen die Möglichkeit, sich finanziell zu restrukturieren, ohne dafür auf das kosten- und zeitintensive sowie oftmals wertvernichtende Insolvenzverfahren zurückzugreifen. Solange Unternehmen (lediglich) drohend zahlungsunfähig, aber nach der Insolvenzordnung noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet sind, können die Geschäftsleiter diesen Weg gehen. Diese Möglichkeit wird regelmäßig zu prüfen sein, da Geschäftsleiter – und dies ist eine wesentliche Neuerung – bei drohender Zahlungsunfähigkeit künftig die Interessen der Gläubiger wahren müssen und haftbar sind. Zentrales Element im StaRUG ist der Restrukturierungsplan nach etablierten internationalen Vorbildern, dem mit mehrheitlicher Zustimmung der planunterworfenen Gläubiger schnell und möglichst geräuschlos Wirksamkeit verliehen werden kann. Dabei sollen Unternehmen grundsätzlich selbst den Kreis der Betroffenen wählen und mit ihnen beispielsweise über eine Verlängerung von Laufzeiten oder die Reduzierung von finanziellen Verbindlichkeiten verhandeln können. Ausgenommen sind Arbeitnehmerrechte. Flexibel erfasst sind Gläubiger und Gesellschafter, dingliche Sicherheiten und Drittsicherheiten, wie etwa Garantieversprechen von Tochtergesellschaften. Moderne und international etablierte Organisations- und Finanzierungsformen können adressiert werden.

Das Gericht muss spätestens zur Planbestätigung einbezogen werden, wenn auch die überstimmte Minderheit an die Planinhalte gebunden werden soll. Das Unternehmen kann bereits vorzeitig eine gerichtliche Vollstreckungs- und Verwertungssperre erwirken, um den Betrieb bis zur Wirksamkeit des Plans gegen Störer aufrechtzuerhalten. In diesem wie auch anderen Fällen wird vom Gericht ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt, der das Verfahren begleitet und überwacht. Mit Einbindung des Gerichts können zudem bestimmte Schuldverhältnisse, wie etwa Mietverträge, beendet werden, wenn dies für die Sanierung dienlich ist.

Werden diese Regelungen Gesetz und nehmen sich die neuen Restrukturierungsgerichte der Aufgaben an, ist zu erwarten, dass dieses neue Instrumentarium eine Vielzahl von finanziellen Krisensituationen sehr effektiv lösen hilft. Die Anwendungsbereiche werden zahlreich sein, ob Einzelhandel, Immobilienstrukturen oder komplizierte Schuldscheinfinanzierungen in der Industrie. Die Harmonisierung der Instrumente über alle EU-Staaten hinweg erlaubt nicht zuletzt neuartige grenzübergreifende Lösungen.

Fazit

Mit dem StaRUG werden neue Wege bei der Restrukturierung eröffnet. Der Gesetzgeber setzt erfreulicherweise die Restrukturierungsrichtline in einem eigenständigen Gesetz um. Diese vorinsolvenzliche Regelungen bringen weitreichende Neuerungen für Manager und Finanzierer mit sich. Unternehmen können damit die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise abfedern. Als hilfreiches Instrument zum richtigen Zeitpunkt könnte es durchaus als Vorbild für andere Rechtsordnungen dienen.

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