Gastbeitrag

Sanierung – Neue Regeln für die zweite Chance

Jasmin Urlaub
Jasmin Urlaub © Menold Bezler

Im Oktober 2018 hat das Bundesjustizministerium die Evaluation zum Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vorgelegt. Der Bericht stellt der Reform im Kern ein positives Zeugnis aus. Währenddessen schreitet die Entwicklung des deutschen Insolvenzrechts weiter voran: Mit Annahme der EU-Restrukturierungsrichtlinie (RRL) durch das EU-Parlament voraussichtlich im 1. Hj. 2019 ist es nur eine Frage der Zeit, bis das präventive Restrukturierungsverfahren in deutsches Recht gegossen wird. Hiermit betritt der Gesetzgeber abermals Neuland, wie Jasmin Urlaub, Partnerin bei Menold Bezler, beschreibt.

Mit der Einführung des ESUG 2012 haben Unternehmen in der Krise deutlich erweiterte Möglichkeiten erhalten, sich aus eigener Kraft zu sanieren und dem Stigma der Insolvenz dadurch entgegenzutreten, dass sie in weiten Strecken selbst Herr des Verfahrens bleiben. Daher sind sich Insolvenzexperten überwiegend einig, dass mit dem ESUG ein entscheidender Schritt nach vorn gemacht worden ist. Der Begriff der Insolvenz ist dennoch für viele Unternehmer nach wie vor mit dem Makel des Scheiterns behaftet. An dieser Stelle setzt die EU an. Für krisenbefangene Unternehmen sollen die Anreize erhöht werden, frühzeitig Maßnahmen zur Überwindung finanzieller Schwierigkeiten zu ergreifen (s. a. PLATOW Recht v. 20.2.). Das präventive Restrukturierungsverfahren soll damit auch solchen Unternehmen zur Verfügung stehen, die das Stadium der Insolvenzreife – d. h. (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – noch nicht erreicht haben. Der Richtlinienentwurf nennt als Verfahrensvoraussetzung die „Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz“ bzw. „drohende Insolvenz“. Damit dürfte zukünftig eine geordnete Restrukturierung bereits vor Insolvenzreife möglich sein, z. B. im Stadium der Absatz- oder Erfolgskrise, wie sie im IDW S 6 Standard definiert wird.

Moratorium und Restrukturierungsplan

Nach zähem Ringen um die konkrete Ausgestaltung des Gesetzestextes liegt seit 17.12.18 der finale Text der RRL vor. Den Mitgliedstaaten wird zunächst die Möglichkeit eingeräumt, den Zugang krisenbefangener Unternehmen zu dem präventiven Restrukturierungsverfahren von einem Rentabilitätstest abhängig zu machen. Eine solche Einschränkung erscheint mit Blick auf den Zweck des präventiven Restrukturierungsverfahrens sinnvoll und sollte von dem nationalen Gesetzgeber jedenfalls für größere Unternehmen umgesetzt werden. Als maßgebliche Restrukturierungsmaßnahme vorgesehen ist zunächst das so genannte Moratorium. Dieses soll dem Schuldner eine „Atempause“ verschaffen, um die anstehenden Sanierungsmaßnahmen ungestört durchführen zu können. Konkret soll hierdurch die Insolvenzantragspflicht des Schuldners, aber auch die Möglichkeit der Antragstellung von Gläubigerseite suspendiert werden. Weiter soll den Gläubigern die Kündigung von mit dem Schuldner bestehenden Verträgen auf Grund ausstehender Verbindlichkeiten verwehrt bleiben. Vorgesehen ist ein zunächst viermonatiges Moratorium mit einer Verlängerungsmöglichkeit auf bis zu zwölf Monate. Ausdrücklich ausgenommen sind Forderungen von Arbeitnehmern. Hiervon können die Mitgliedstaaten nur abweichen, soweit die Befriedigung dieser Forderungen auf andere Art und Weise sichergestellt ist.

Zweiter Baustein und zugleich Kernstück des präventiven Restrukturierungsverfahrens ist der Restrukturierungsplan. Vergleichbar mit dem bereits in der Insolvenzordnung verankerten Insolvenzplan wird hierin die Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Gläubiger neu geregelt. Besonders in den Fokus rückt die RRL dabei die Belange der Arbeitnehmer des Schuldners. So soll der Restrukturierungsplan etwa von der Bestätigung eines Gerichts abhängen, wenn er – soweit nach nationalem Recht überhaupt zulässig – zu einem Verlust von mehr als 25% der Arbeitsplätze des Schuldners führt.

Eben dieser Restrukturierungsplan außerhalb eines Insolvenzverfahrens dürfte der entscheidende Vorteil zum bisherigen Insolvenzplanverfahren nach ESUG sein. In Fällen, in denen Vergleiche mit allen Gläubigern bislang scheiterten und zur Insolvenz zwangen, kann künftig auch außerhalb einer Insolvenz mit entsprechender Mehrheit der Gläubiger eine Einigung erreicht und das Unternehmen so saniert werden.

Deutschland hinkt im Vergleich hinterher

Nach Verabschiedung und Veröffentlichung der RRL im Amtsblatt der EU verbleiben dem nationalen Gesetzgeber zwei Jahre zur Umsetzung der EU-Vorgaben. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundestag den ihm eingeräumten weitreichenden Entscheidungsspielraum sinnvoll zur Schaffung eines international wettbewerbsfähigen präventiven Restrukturierungsverfahrens nutzt. Andere Länder sind hier bereits wesentlich weiter. In England steht mit dem Scheme of Arrangement Unternehmen ein (gesellschaftsrechtliches) Instrument zur Restrukturierung und Schuldenbereinigung zur Verfügung. In Frankreich können sanierungsbedürftige Unternehmen durch das Schlichtungsverfahren (Conciliation) und das vorgezogene Insolvenzverfahren (Procédure de Sauvegarde) die Restrukturierung bzw. Sanierung des Unternehmens erreichen. Die Niederländer wollen nach englischem Vorbild ein echtes insolvenzunabhängiges Planverfahren (Dutch Scheme of Arrangement) einführen. Der deutsche Gesetzgeber ist also gefordert, hier eine echte Alternative zu etablieren. Ansonsten könnten deutsche Unternehmen versuchen, die Instrumente der europäischen Nachbarländer zur Restrukturierung zu nutzen.

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