Kartellwächter stellen Spielregeln für Verlage infrage

Eine kürzlich ergangene Bußgeldentscheidung des Bundeskartellamts gegen die DuMont Mediengruppe sorgt für Rechtsunsicherheit bei Verlagen. Seit der 9. GWB-Novelle sind Vereinbarungen von Zeitungs- oder Zeitschriftenverlagen über eine verlagswirtschaftliche Zusammenarbeit vom Kartellverbot ausgenommen. Das Kartellamt erklärt Kernbeschränkungen nun auch nach der neuen Gesetzeslage für unzulässig. Sollte diese Rechtsauffassung Bestand haben, stellt sich die Frage, wie viel von der angedachten Erweiterung des Handlungsspielraums für Kooperationen noch übrigbleibt, meint Silvio Cappellari, Partner bei SZA Schilling, Zutt & Anschütz.

 Laut Bundeskartellamt hatte sich die DuMont Mediengruppe mit der Gruppe Bonner General-Anzeiger Ende 2000 auf einen „Nichtangriffspakt“ verständigt. Die Verbreitungsgebiete des „Bonner General-Anzeiger“ und der von DuMont verlegten „Rundschau“ überschneiden sich teilweise im Raum Bonn. Man hatte sich darauf geeinigt, in bestimmten Gebieten zu Gunsten des jeweils anderen die lokale Berichterstattung zu reduzieren bzw. einzustellen. Um sich nicht gegenseitig die „Märkte kaputt zu machen“, hatten beide Verlagshäuser diese Absprache durch wechselseitige Beteiligungen sowie ein Vorkaufsrecht der DuMont Gruppe an der Gruppe Bonner General-Anzeiger abgesichert. Erschwerend kam hinzu, dass bei der Anmeldung der Beteiligungserwerbe beim Bundeskartellamt die Existenz des Vorkaufsrechts bewusst verheimlicht wurde, obwohl dieser Umstand für die Bewertung des Zusammenschlusses von zentraler Bedeutung gewesen wäre. Die Absprachen fanden erst 2016 ein Ende, als die wechselseitigen Beteiligungen beendet wurden und der Bonner General-Anzeiger einen Kronzeugenantrag beim Bundeskartellamt einreichte.

Es scheint, als habe das Amt nur auf eine Gelegenheit gewartet, um hierzu Stellung zu beziehen. Seit der 9. GWB-Novelle, die im Juli 2017 in Kraft getreten ist, sind Vereinbarungen von Zeitungs- oder Zeitschriftenverlagen über eine verlagswirtschaftliche Zusammenarbeit vom Kartellverbot ausgenommen. Dabei ist Voraussetzung, dass die vereinbarte Zusammenarbeit eine Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen der beteiligten Presseverlage ermöglicht, um im Wettbewerb mit anderen Medien zu bestehen. Aus Sicht des Gesetzgebers war diese Maßnahme auf Grund der verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Medienlandschaft sowie zum Schutz der Pressevielfalt wettbewerbspolitisch gerechtfertigt. Nach dem vorherrschenden Verständnis dürfen Verlage auf der Grundlage dieser Bereichsausnahme etwa Anzeigenpreise absprechen, Kunden und Gebiete aufteilen und wettbewerblich sensible Informationen austauschen.

Kartellwächter vollziehen Kehrtwende

Das Bundeskartellamt teilte diese Auffassung zunächst, auch wenn es die Neuregelung in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf deutlich kritisiert hatte. Nun scheint man in Bonn eine Kehrtwende vollzogen zu haben. Das Amt geht nunmehr davon aus, dass eine Privilegierung nur denjenigen Formen der Zusammenarbeit zukommen soll, die zu Rationalisierungs- und Synergieeffekten führen. Diese Aussage ist umso bemerkenswerter, als sie für den vorliegenden Fall nicht entscheidungsrelevant war. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Wettbewerbshüter ihre Bedenken aus dem Gesetzgebungsverfahren nunmehr „durch die Hintertür“ in ihre Entscheidungspraxis einführen möchten.

Sollte diese Rechtsauffassung vor Gericht Bestand haben, stellt sich die Frage, wieviel von der angedachten Erweiterung des Handlungsspielraums für Pressekooperationen noch übrigbleibt, zumal die Tätigkeit auf redaktioneller Ebene wie bisher den allgemeinen Wettbewerbsregeln unterliegt. Bis dies abschließend geklärt ist, dürfte beträchtliche Rechtsunsicherheit in der Branche herrschen, und zwar insbesondere bei Verlagen, die sich im Vertrauen auf die neue Regelung bereits auf weitreichende Kooperationen verständigt haben. Allerdings wird die Situation dadurch etwas entschärft, dass betroffene Unternehmen das Bundeskartellamt entsprechend einer weiteren Neuregelung im Rahmen der 9. GWB-Novelle um Bestätigung der Zulässigkeit ihres Kooperationsprojekts bitten können.

Auch Anwälte im Fokus der Wettbewerbshüter

Das besagte Bußgeldverfahren ist auch darüber hinaus innerhalb der Anwaltschaft auf großes Interesse gestoßen, da der Rechtsanwalt der DuMont Gruppe auf Grund seiner Beratungstätigkeit ebenfalls mit einem Bußgeld belegt wurde. Es ist, soweit bekannt, das erste Mal, dass das Bundeskartellamt Sanktionen gegen einen Rechtsanwalt ausgesprochen hat. Der betroffene Anwalt war mit der Vertragsgestaltung sowie mit der gesamten Kommunikation mit dem Bundeskartellamt befasst gewesen. Im Zuge der Ermittlungen wurden damals auch die Kanzleiräumlichkeiten durchsucht.

Bereits Mitte dieses Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden gegen die Durchsuchung von Kanzleiräumen und die Beschlagnahme von Unterlagen aus internen Ermittlungen bei Volkswagen im Diesel-Fall abgewiesen. Das Rechtsschutzersuchen der betroffenen Kanzlei wurde mit der Begründung abgelehnt, dass sich diese als US-amerikanisches Unternehmen nicht auf deutsche Grundrechte berufen könne. Es scheint daher eine gewisse Tendenz hin zu einer robusteren Gangart gegenüber Anwälten zu geben. Die Anwaltschaft wird dieser Entwicklung bei der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen ihrer Mandanten verstärkt Rechnung tragen müssen, um keine unnötigen Risiken einzugehen.

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