Gastbeitrag

DSGVO bringt neuartiges „Akteneinsichtsrecht“

Johannes Frey und Frank-M. Schwarz
Johannes Frey und Frank-M. Schwarz © Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat die Rechte von Betroffenen gegenüber Finanzbehörden im Zusammenhang mit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten erheblich erweitert. Diesen steht nunmehr gegenüber Steuerbehörden u. a. ein Anspruch auf Auskunft darüber zu, ob und gegebenenfalls welche ihrer personenbezogenen Daten durch die betreffende Finanzbehörde verarbeitet werden. Dieser Anspruch führt in der Praxis zu einem neuartigen Akteneinsichtsrecht des Steuerpflichtigen. Kürzlich veröffentlichte Urteile zweier Finanzgerichte unterstützen diese Schlussfolgerung, wie Johannes Frey und Frank-M. Schwarz, Steuerrechtler bei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom, erläutern.

Vor Inkrafttreten der DSGVO zum 25.05.18 war allgemein anerkannt, dass während Betriebsprüfungen ein Anspruch auf Einsicht in die Akten der Betriebsprüfung grundsätzlich im Ermessen der Finanzbehörden stand. Es bestand zwar die allgemeine Pflicht der Betriebsprüfung, den Steuerpflichtigen über die festgestellten Sachverhalte und die möglichen steuerlichen Auswirkungen zu unterrichten. Ein Akteneinsichtsrecht auf dieser Grundlage wurde allerdings nur in sehr begrenzten Fällen gewährt. Dies führte in nicht wenigen Fällen zu Informationsasymmetrien zu Lasten der Steuerpflichtigen. Das Grundrecht des Steuerpflichtigen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG) und der Schutz der Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG gegenüber behördlichen Maßnahmen wurden nicht hinreichend berücksichtigt.

Dieses Informationsdefizit des Steuerpflichtigen wurde nun durch das Inkrafttreten der DSGVO beseitigt. Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person nunmehr das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob die betreffenden personenbezogenen Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, so stehen der betroffenen Person eine Vielzahl weiterer Informationsrechte zur Verfügung. Nach § 2a Abs. 5 AO gelten zudem die Vorschriften der DSGVO auch für Körperschaften. Im Wesentlichen sind lediglich die Ausschlussgründe der §§ 32a-32i AO zu beachten.

Finanzgerichtliche Entscheidungen

Dieser Anspruch aus Art. 15 DSGVO beschäftigte kürzlich das Finanzgericht Saarland (Beschluss vom 03.04.19 – Az.: 2 K 1002/16 rkr.) und das Finanzgericht Sachsen (Urteil vom 08.05.19 – Az.: 5 K 337/19 rkr.). Beide Gerichte bestätigten, dass Steuerpflichtigen gegenüber der Betriebsprüfung grundsätzlich ein Auskunftsanspruch über sämtliche verarbeitete personenbezogene Daten auf Basis des Art. 15 DSGVO zusteht. Das Finanzgericht Saarland unterstrich, dass dieser Anspruch nicht im Ermessen der zuständigen Behörde steht. Vielmehr ist bei Vorliegen der Voraussetzungen Akteneinsicht zu gewähren. Der Steuerpflichtige kann dabei eine Kopie der erhobenen personenbezogenen Daten verlangen.

Mögliche Problemfelder in der Praxis

In der Praxis könnten Finanzbehörden den Auskunftsanspruch beispielsweise unter Berufung darauf ablehnen, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten nicht gegeben sei. Ein anderer Begründungsansatz könnte die Berufung auf die Ausschlussgründe in §§ 32a ff. AO sein (z. B. das Steuergeheimnis Dritter oder eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung der Finanzbehörden durch die Auskunftserteilung).

An sämtliche dieser Begründungsansätze haben die oben genannten Entscheidungen strikte Anforderungen gestellt. So ergebe sich bereits aus dem Sinn und Zweck von Betriebsprüfungen, dass hierbei personenbezogene Daten verarbeitet werden. Der Verarbeitungsvorgang sei in der Aktenführung zu sehen. Ausschlussgründe auf Grund von Geheimhaltung, beispielsweise wegen des Steuergeheimnisses, schließen nach dem Finanzgericht Sachsen einen Auskunftsanspruch nur aus, soweit durch eine Auskunft diese Geheimhaltungsinteressen offenbart würden.

Eine vollständige Ablehnung unter Berufung auf das Steuergeheimnis scheidet daher regelmäßig aus. Außerdem hat das Finanzgericht Sachsen klargestellt, dass die Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch Auskunftserteilung nicht pauschal seitens der Finanzbehörde behauptet werden könne. Vielmehr müsse aus dem Vorbringen der Finanzbehörde konkret auf die Gefährdung der Aufgaben geschlossen werden können.

Ausblick

Es besteht nicht selten ein erhebliches Interesse seitens der betroffenen Unternehmen, Kenntnis über den Umgang der Finanzbehörden mit personenbezogenen Daten dieser Betroffenen zu erhalten. Dabei geht es um die Grundlage dafür, das Recht auf effektiven Rechtsschutz wahrnehmen zu können. In dieser Situation stellt die DSGVO ein wichtiges, gerichtlich durchsetzbares Werkzeug zur Verfügung. Die neueren Tendenzen in der Rechtsprechung scheinen dies zu unterstützen und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung zu tragen. Unternehmen sollten daher ernsthaft erwägen, auf dieser Grundlage regelmäßig Einsicht in die sie betreffenden Akten zu erhalten.

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