Marktmissbrauch – Weniger Rechtssicherheit, mehr Bürokratie
Die EU-Marktmissbrauchsverordnung (MMVO) stellt seit Juli 2016 neue Anforderungen an die Kapitalmarkt-Compliance börsennotierter Unternehmen. Betroffen hiervon sind insbesondere die Ad-hoc-Veröffentlichungspflichten, die Meldung von Wertpapiergeschäften von Führungskräften (so genannte Managers‘ Transactions), das Führen von Insiderlisten, die Insiderhandels- und Marktmanipulationsverbote, die Durchführung von Marktsondierungen bei der Aufnahme von Eigen- und Fremdkapital sowie die Aktienrückkaufprogramme. Doch was den Anlegerschutz und das Vertrauen in die Finanzmärkte verbessern soll, stellt die betroffenen Unternehmen in der Praxis vor Probleme in der täglichen Compliance-Arbeit. Das zeigt eine Studie des Deutschen Aktieninstitutes und der Kanzlei Hengeler Mueller, für die Unternehmen aus DAX, MDAX, TecDAX und SDAX sowie des Freiverkehrs befragt wurden.
So hat die MMVO laut Studie besonders bei der wichtigen Ad-hoc-Publizität zu einem Verlust an Rechtssicherheit geführt. 90% der befragten Unternehmen wünschen sich beispielsweise präzisere Vorgaben vor allem bezüglich des Zeitpunkts des Entstehens von Insiderinformationen sowie der Eignung von Informationen zur erheblichen Kursbeeinflussung. Auch bemängeln die Unternehmen den deutlich gestiegenen bürokratischen Aufwand. Dagegen glaubt nur ein kleiner Teil der Befragten, dass sich der Schutz der Investoren durch die MMVO verbessert hat.
Taugliche Lösungen gefordert
„Vor dem Hintergrund deutlich verschärfter Sanktionsmöglichkeiten müssen die entstandenen Unsicherheiten beseitigt und praxistaugliche Lösungen entwickelt werden“, fordert Wolfgang Groß, Partner für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht bei Hengeler Mueller. „Es dient weder dem Interesse der Aktionäre, noch dem der betroffenen Unternehmen, wenn wertschöpfende Prozesse wie beispielsweise M&A-Transaktionen mit unnötiger Rechtsunsicherheit belastet werden.“ Das Deutsche Aktieninstitut setzt nun Hoffnungen in die anstehende Überarbeitung des Emittentenleitfadens der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) im Bereich Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität. „Zwar kann nur der Gesetzgeber den Gesetzestext der Marktmissbrauchsverordnung und der ausführenden Rechtsakte ändern“, ist sich Christine Bortenlänger, Geschäftsführender Vorstand, bewusst. „Doch hat die BaFin auch im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben genug Spielraum für eine praxisgerechte Verwaltungspraxis.“
Gut zweieinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten der MMVO fällt der Praxistest aus Sicht der betroffenen Unternehmen also mehr als ernüchternd aus. Dass die Unternehmen dabei nicht nur die MMVO, sondern auch diverse konkretisierende Rechtsakte der EU-Kommission sowie Richtlinien der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA und nationaler Aufsichtsbehörden beachten müssten, tue aus Sicht des Deutschen Aktieninstituts sein Übriges. Eine praxistaugliche Lösung müsse gefunden und gleichzeitig verhindert werden, dass deutsche Emittenten mit einer strengeren Aufsichts- und Auslegungspraxis konfrontiert werden als Emittenten in anderen EU-Ländern. „Wenn beispielsweise als Ergebnis der gelebten Ad-hoc-Publizität M&A-Transaktionen nicht mehr in vertraulichen Prozessen vorbereitet und zur Vertragsreife gebracht werden können, benachteiligt das auf Dauer die deutschen börsennotierten Unternehmen im Wettbewerb und dient auch nicht den Interessen der Aktionäre an einer unternehmerischen Fortentwicklung“, so Bortenlänger. „Auch diesen Aspekt sollte man berücksichtigen, wenn es um die Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen geht.“
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