Börse

SPAC-Transaktionen – Fluch oder Segen?

Dirk Busch
Dirk Busch © Hengeler Mueller

_ Der Hype um sogenannte SPACs (Special Purpose Acquisition Companies) scheint derzeit keine Grenzen zu kennen. Bis Mitte März gab es weltweit SPAC-Deals mit einem Gesamtvolumen von 74,6 Mrd. USDollar, fast so viel wie 2020 insgesamt und rund sechsmal so viel wie 2019. Zahlreiche weitere SPACs stehen in den Startlöchern. Doch es gibt auch kritische Töne und Herausforderungen, weiß Dirk Busch, Partner bei Hengeler Mueller.

Bei einem SPAC handelt es sich in Schritt 1 zunächst um ein Investmentvehikel in Gestalt eines leeren Mantels ohne eigenes operatives Geschäft, das im Rahmen eines IPO Kapital einsammelt. Ziel ist es, dieses Kapital in Schritt 2 innerhalb eines festgelegten Zeitraums (meist 18 bis 24 Monate) für einen Unternehmenszusammenschluss (sog. de-SPACing) mit einer operativen Zielgesellschaft einzusetzen. Kommt es auch nach einer teilweise möglichen Karenzfrist nicht dazu, wird das Kapital an die Anleger ausgekehrt und der SPAC abgewickelt. Beim SPAC-IPO erwerben die Anleger sog. Units. Diese Units bestehen jeweils aus einer Aktie und einem Optionsrecht (Warrant). Der Warrant berechtigt die Anleger zum späteren Erwerb von Aktien zu einem festgelegten Preis. Daneben werden dem Initiator des SPAC, dem Sponsor, Units einer separaten Klasse eingeräumt (sog. Promote).

SPAC ist nicht gleich SPAC

Auch wenn SPACs zahlreiche weitere typische gemeinsame Merkmale aufweisen, gibt es in der Praxis durchaus wesentliche Unterschiede. Diese betreffen etwa folgende Strukturfragen: Muss die SPAC-Hauptversammlung (und ggf. mit welchem Mehrheitserfordernis) einer de-SPACing-Transaktion zustimmen? Wird allen Anlegern ein Recht eingeräumt, ihre Anteile (gegen Rückerstattung des Kapitals) an das SPAC zurückzugeben oder nur denjenigen, die in der Hauptversammlung gegen das de-SPACing gestimmt haben? Gibt es in Bezug auf die Wandlung des Sponsor-Promote Beschränkungen, die an die (positive) Entwicklung des Aktienkurses geknüpft sind, und wenn ja, zu welchen Kursen und zu welchen Zeitpunkten? Wie hoch ist die maximale Verwässerung der Anleger beim de-SPACing? Welche Anforderungen bestehen an eine Abschirmung des eingesammelten Kapitals? Welche Laufzeit und Ausnahmen besitzen der Lock-up des Sponsors und der Altgesellschafter der Zielgesellschaft? Je nach Ausgestaltung dieser Elemente verschiebt sich die Risikoallokation zwischen den beteiligten Stakeholdern teilweise materiell.

Vor- und Nachteile gegenüber einem klassischen IPO

Für operative Unternehmen kann der Zusammenschluss mit einem SPAC ein schneller Weg an die Börse sein. Ein de-SPACing dauert meist gut drei Monate. Ein klassischer IPO benötigt normalerweise mindestens doppelt so viel Zeit, wobei das Timing in beiden Fällen von der sog. IPO-Readiness der Zielgesellschaft abhängt. Vorteile von SPAC-IPOs gegenüber klassischen IPOs werden dabei insbesondere in volatilen Marktphasen deutlich. Bei einem klassischen IPO erfolgen Festsetzung des Ausgabepreises sowie Zuteilung im Anschluss an eine mehrtätige Bookbuilding- und Vermarktungsphase und hängen nicht zuletzt vom Marktumfeld und der Kursentwicklung relevanter Peers ab. Diese Risiken sind bei SPAC-IPOs in Schritt 1 entkoppelt und in Schritt 2 kann eine mehrwöchige Vermarktung erfolgen. Für die Inhaber der Zielgesellschaft ist vorteilhaft, dass die Bewertung im Wege eines privaten M&A-Prozesses und ohne den typischen sog. IPO-Discount erfolgt. Außerdem können Altgesellschafter bei einem de-SPACing regelmäßig ein höheres Volumen desinvestieren. Allerdings weist ein typischer de-SPACing-Prozess zahlreiche Besonderheiten auf, die für Zielgesellschaft und deren Inhaber nachteilig sein können. So fordern SPACs im M&AProzess meist Exklusivität und einen Haftungsausschluss. Sie bedingen ferner den Vollzug der Transaktion einseitig auf das Erfordernis der Zustimmung der SPAC-Hauptversammlung. Konsequenz in der Praxis ist häufig, dass Zielgesellschaft und deren Gesellschafter – anders als beim klassischen IPO – nicht im Drivers-Seat sitzen. Ferner zeigt ein Blick in die USA, dass sich nach einem de-SPACing der Aktienkurs häufig schlechter entwickelt als der Markt. Eine der Ursachen dafür ist, dass beim de-SPACing Analysten-Research und ein strukturiertes Bookbuilding fehlen, und damit Kernelemente des klassischen IPO, welche zu einer ausgewogenen Investorenstruktur und ausreichenden Liquidität in der Aktie beitragen.

Ausblick

In Deutschland und Europa werden derzeit eine ganze Reihe von SPAC- und de-SPAC-Transaktionen vorbereitet. Auch wenn der Schwerpunkt derzeit (noch) auf den USA liegt, so gibt es einige Gründe, warum es SPACs und Zielgesellschaften bevorzugen, in Deutschland oder Europa gelistet zu sein. Hierzu zählen neben steuerrechtlichen Erwägungen u. a. die höhere regulatorische Flexibilität sowie meist substantiell geringere Listing- und Folgekosten. Der Finanzplatz Deutschland ist dabei grundsätzlich gut aufgestellt. So hat die Frankfurter Wertpapierbörse bereits frühzeitig die Weichen für ein SPAC-Listing in Deutschland gestellt, mit einer ausgewogenen Balance zwischen Anlegerschutz, Transparenzanforderungen und struktureller Flexibilität. Ob SPACs dabei nur ein kurzer Hype sein oder sich dauerhaft etablieren werden, wird sich zeigen. Gradmesser hierfür dürften primär die Risikoallokation zwischen den verschiedenen Stakeholdern, die Qualität der Sponsoren und Zielgesellschaften sowie nicht zuletzt die Kursperformance sein.

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