Brexit: Auswirkungen auf den Finanzmarkt

Mit der Abstimmung zum Austritt aus der EU ist der Brexit noch nicht vollzogen. Noch gelten die europäischen Vorschriften weiter. Aber die andauernde Unsicherheit lässt bereits eine Vielzahl von Banken und Finanzdienstleistern in Großbritannien nach möglichen Alternativen suchen, um einen dauerhaften Zugang in die EU sicherzustellen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Auswirkungen eines Brexit auf den Finanzmarkt noch nicht absehbar. Jochen Kindermann, Partner der Kanzlei Simmons & Simmons in Frankfurt, diskutiert im Folgenden, wie sich die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich post Brexit gestalten könnten.

Das Vereinigte Königreich hat den Austrittsmechanismus und die hieran anschließenden Verhandlungen noch nicht in Gang gesetzt, doch schon jetzt zeichnet sich ab, daß die Folgen für den gesamten Kapitalmarkt massiv sein könnten. Entscheidend wird sein, wie sich die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU post Brexit gestalten werden. Diskutiert werden aktuell vor allem das sog. „Norwegische Modell“ sowie das sog. „Schweizer Modell“.
Nach dem „Norwegischen Modell“ könnte das Vereinigte Königreich als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) eine Freihandelszone mit der EU und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) bilden. Vorteil hierbei ist, dass die Rechte und Pflichten des EU-Binnenmarkts auf die EFTA-Mitglieder ausgedehnt werden.

Das „Schweizer Modell“ regelt die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz durch ungefähr 120 Abkommen. Hierdurch erhält das Land direkten Zugang zu bestimmten Bereichen des EU-Binnenmarktes, muss gleichzeitig aber auch wie Norwegen finanzielle Beiträge leisten. Diesen Ansatz scheint insbesondere eine Task Force der Asset Management-Industrie zu präferieren.

Für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute aus dem Vereinigten Königreich ist vor allem der Marktzugang in die EU wichtig. Dabei spielt wiederum der in den vergangenen Jahren immer stärker ausgeweitete sog. „Europäische Pass“, der einen erleichterten Marktzugang für Finanzdienstleistungen und Finanzprodukte garantiert, die entscheidende Rolle. Er ist und bleibt der wesentliche Motor für umfassende Konzentrationsprozesse über die EU-Ländergrenzen hinweg und daraus resultierende Kostenreduktionen. Der Verlust des Europäischen Passes hätte massive Auswirkungen auf das Geschäftsmodell vor allem der englischen Marktteilnehmer und würde dazu führen, dass Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich Bank- und Finanzdienstleistungen nicht mehr ohne weiteres in den Mitgliedstaaten der EU erbringen dürfen. Das Risiko eines abrupten Verbots der Erbringung von Dienstleistungen in der EU aus dem Vereinigten Königreich zwingt die dortigen Marktteilnehmer schon jetzt Vorkehrungen zu treffen, die ihnen auch im Falle der Behandlung als sogenanntes Drittland einen Marktzugang gewährleisten. Das primäre Ziel möglicher Austrittsverhandlungen wird daher aus britischer Sicht die Beibehaltung eines erleichterten Marktzuganges sein.

Allerdings könnte der Marktzugang durch MiFID2/MiFIR sogar einfacher werden, selbst wenn es zu einer Drittlandlösung kommen sollte. Art. 46 ff. MiFIR erlauben es Unternehmen mit Sitz im Drittstatt grenzüberschreitend innerhalb der EU regulierte Tätigkeiten zu erbringen. Dies setzt allerdings eine Registrierung bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA voraus, sowie eine Anerkennung des Rechtsrahmens im Heimatland als gleichwertig gegenüber den europäischen Regeln durch die Europäische Kommission. Der zurückgezogene FimanoG-Entwurf der Bundesregierung enthielt bereits einen entsprechenden Mechanismus in § 53c KWG-E, der die günstigen Regelungen des § 53b KWG auf einen derartigen Sachverhalt anwendete. Für das Vereinigte Königreich könnte sich hier die bisherige Mitgliedschaft in der EU auszahlen: Die aktuell geltenden Regeln könnten nur schwer von der EU als nicht gleichwertig angesehen werden. Allerdings ist unklar, ob diese nicht durch den Austritt zumindest in Teilen aufgehoben werden würden, zumal der zukünftige Drittlandpassport zu einem der strittigsten Punkte der MiFID2/MiFIR avancierte. Außerdem zeigt sich, dass bestimmte Marktteilnehmer im Verein-igten Königreich gerade darauf drängen, einzelne EU-Regeln  abzuschaffen oder gar nicht erst umzusetzen. Dies könnte innerhalb kurzer Zeit zu einem Auseinanderdriften von EU und Vereinigten Königreich führen und eine Gleichwertigkeit schnell in Frage stellen.

Eine weitere aktuell stark diskutierte Variante, den Marktzugang für britische Firmen zu gewährleisten, ist es, Vertriebszentren als Tochterfirmen in der EU zu errichten und von diesen aus typische notwendige Servicedienstleistungen in das Vereinigte Königreich auszulagern. Das Tochterunternehmen wird eine Erlaubnis der jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörde in der EU benötigen und vollständig den regulatorischen Vorschriften im Errichtungsstaat unterliegen. Diese Konstellationen werfen zahlreiche, teils diffizile Rechtsfragen auf, so beispielsweise in welchem Umfang eine derartige Auslagerung zulässig ist. Noch radikaler wäre die vollständige Verlagerung der Unternehmung aus dem Vereinigten Königreich in einen Mitgliedsstaat der EU. Hier gilt es vor allem zu entscheiden, welches EU-Land langfristig die beste Wahl ist. Die Kriterien der Auswahl sind dabei äußerst unterschiedlich. Es zeichnet sich schon jetzt ein „Beauty Contest“ zwischen zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten ab, die um die Ansiedlung von Finanzmarktteilnehmern buhlen.

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