Gläubigerschutz in Corona-Zeiten

Mein Vertragspartner ist insolvent! Was ist nun zu tun?

Jana Benzel
Jana Benzel © Kümmerlein Rechtsanwälte & Notare

_ Die Insolvenz eines Vertragspartners ist kein neues Szenario, allerdings hat die Pandemie die (mögliche) Insolvenz eines Vertragspartners deutlich stärker in den Fokus gerückt. Das Insolvenzrecht und die Krise von Vertragspartnern werden auch in der Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Schätzung der Creditreform, dass derzeit ca. 550 000 Unternehmen eigentlich insolvenzreif sind. Daher stellt sich für viele Unternehmen berechtigterweise die Frage, wie sie sich gegen die Risiken einer Insolvenz des Vertragspartners absichern können

Insolvenzanfechtung und Zahlungsausfall

Ein wesentliches Risiko resultiert aus der Insolvenzanfechtung. Denn der Insolvenzverwalter fordert in diesem Fall bereits vereinnahmte Leistungen (insb. eine vom Schuldner bereits gezahlte Vergütung) zurück. Dies ist besonders ärgerlich, da man sicher geglaubtes Geld wieder zurückzahlen muss. In gewissem Maße kann sich ein Unternehmen jedoch gegen dieses Risiko absichern. Geschäfte mit dem Vertragspartner sollten z. B. immer als so genannte „Bargeschäfte“ abgewickelt werden. Auch wenn der Name dies vermuten lässt, müssen diese Geschäfte nicht in „bar“ erfolgen, sondern der Leistungsaustausch muss in engem, zeitlichen Zusammenhang stattfinden. Als Faustformel gilt, dass Zahlungsziele von mehr als 30 Tagen wohl zu lang sind. Es kommt jedoch immer auf den Einzelfall an. Auch kürzere Zahlungsziele können schädlich sein. Daneben sollte die Gegenleistung immer so erbracht werden, wie sie vertraglich geschuldet ist. Es ist zwar nicht verboten, diese etwa durch Abtretung einer eigenen Forderung statt durch Zahlung zu erbringen, dies steigert jedoch das Anfechtungsrisiko erheblich.

Ein weiteres Risiko ist selbstverständlich der Zahlungsausfall. Auch hier hat es das Unternehmen grundsätzlich in der Hand, sich z. B. durch die Vereinbarung von Sicherheiten oder Vorschüsse abzusichern. Bei der Gestaltung eines Eigentumsvorbehalts ist jedoch Vorsicht geboten. Denn auch hier können sich Anfechtungsrisiken ergeben. Zudem führt der Eigentumsvorbehalt nicht zwangsläufig dazu, dass der Lieferant seine Ware zeitnah herausverlangen kann. Vielmehr ist das Wahlrecht des Insolvenzverwalters zu beachten. Er kann entscheiden, ob er an einem Vertrag festhalten will oder nicht. Beim Eigentumsvorbehalt hat der Insolvenzverwalter beispielsweise in der Regel bis zum Berichtstermin Zeit, sein Wahlrecht auszuüben. Dieser kann gut und gerne sechs Monate nach der Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen.

Aber was ist zu tun, wenn es nun zu einem Insolvenzantrag des Vertragspartners kommt? Forderungen können dann z. B. nicht mehr im Wege der Einzelzwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Vielmehr sind die Forderungen zur so genannten Insolvenztabelle anzumelden. Der Insolvenzverwalter verwertet bei einer aussichtslosen Fortführung des Unternehmens das Gesellschaftsvermögen und verteilt dieses anschließend anteilig auf die Gläubiger, die dann die so genannte Insolvenzquote erhalten. Diese liegt zumeist bei deutlich weniger als 10% der angemeldeten Forderung.

Absonderungs- und Aussonderungsrecht

Gläubiger, denen eine Sicherheit zusteht, haben bessere Karten. Sie können so genannte Absonderungsrechte haben. Dies bedeutet lediglich, dass der gesicherte Gläubiger gegen den Insolvenzverwalter einen Anspruch hat, den Erlös aus der ihm zustehenden Sicherheit vor allen anderen Gläubigern zu erhalten; nur ein etwaiger Überschuss wird auf die übrigen Gläubiger verteilt. Die Verwertung übernimmt also – zumeist gegen eine Feststellungs- und Verwertungspauschale von 9% – der Insolvenzverwalter. Davon zu unterscheiden ist das so genannte Aussonderungsrecht. Dieses berechtigt den Gläubiger, einen Gegenstand, der nicht zur Insolvenzmasse gehört, vom Insolvenzverwalter herauszuverlangen.

Wird die Gesellschaft fortgeführt, was vorrangiges Ziel des Insolvenzverfahrens ist, bittet der vorläufige Insolvenzverwalter die Vertragspartner häufig um weitere Leistungserbringung. Zwar führt der Insolvenzantrag nicht per se dazu, dass alle vertraglichen Beziehungen beendet sind. Allerdings kann dem Vertragspartner des Schuldners ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen. Dann muss der Insolvenzverwalter den Vertragspartner um Mitwirkung bitten.

Häufig wird es aber auch im Interesse des Vertragspartners liegen, das insolvente Unternehmen weiter zu beliefern, wenn die Bezahlung gesichert ist. Lieferanten ist dann zu raten, mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Zahlung eines Vorschusses zu vereinbaren. Hier sollte streng darauf geachtet werden, dass Zahlung und Leistungserbringung in engem, zeitlichen Zusammenhang erfolgen, möglichst binnen weniger Tage. Denn der (endgültige) Insolvenzverwalter kann Handlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters anfechten, wenngleich dies seltsam anmuten mag, da es sich häufig um dieselbe Person handelt. Die Begleichung von Altforderungen kann meist nicht – jedenfalls nicht anfechtungsfest – durchgesetzt werden.

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