Wann bekommt der Steuerzahler sein Geld zurück?

"Was tun, wenn durch ein Urteil des EuGH klar wird, dass der eigene Steuerbescheid zwar auf einer unionsrechtswidrigen Norm beruht, der Bescheid aber schon bestandskräftig ist? Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Bescheide unter bestimmten Voraussetzungen zu ändern. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in vergleichbaren Fällen eine Verpflichtung des Finanzamtes zur Änderung des Steuerbescheides aber stets abgelehnt. In einer am 18.3.2015 veröffentlichten Entscheidung hat der BFH jetzt erstmalig auch einen Antrag eines Steuerpflichtigen abgelehnt, im Billigkeitswege die unionsrechtswidrig gezahlten Steuern zu erstatten. Ulrich Ränsch, Partner von Baker & McKenzie im Bereich Steuerrecht, erläutert die Folgen dieser keineswegs unumstrittenen Entscheidung."

Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Steuersachen sind zahlreich, häufig auch zugunsten der Steuerzahler. Wer profitiert eigentlich von einer für den Steuerzahler günstigen Entscheidung des EuGH? Zunächst natürlich derjenige, der den Finanzrechtsstreit geführt hat. Aber eine Entscheidung des EuGH, dass eine Steuerrechtsnorm gegen das Unionsrecht verstößt, bindet die deutschen Gerichte auch in allen anderen Fällen, die bei ihnen wegen derselben Rechtsnorm anhängig sind. Und weil sich der deutsche Fiskus möglicherweise schadenersatzpflichtig machen würde, wenn er eine Rechtsnorm anwendet, nachdem der EuGH deren Unionsrechtswidrigkeit festgestellt hat, profitieren auch alle anderen Steuerzahler, deren Steuerbescheide noch änderbar sind. Änderbar sind sie z. B., weil sie „unter Vorbehalt der Nachprüfung““ stehen oder weil gegen sie ein Einspruch eingelegt wurde. In allen diesen Fällen nämlich wendet der deutsche Fiskus in der Regel die Auffassung des EuGH zu Gunsten der Steuerzahler an.

Ausländische Steuerrechtsnorm

Wie ist es aber, wenn die Europarichter nicht eine Entscheidung zu einer deutschen, sondern zu einer ausländischen Steuerrechtsnorm gefällt haben, die inhaltlich der vergleichbaren deutschen Norm entspricht, und diese für unionsrechtswidrig erklärt? Der deutsche Fiskus ist hier sehr restriktiv und wendet auch weiterhin die deutsche Norm an. Anders die deutschen Finanzgerichte: Die Norminterpretation durch den EuGH bestimmt den Spielraum, den diese bei der Auslegung vergleichbarer deutscher Normen haben. Daher kann es sich für einen deutschen Steuerzahler auch in diesen Fällen durchaus lohnen, Einspruch gegen einen Steuerbescheid einzulegen.

Bestandskräftige Steuerbescheide änderbar?

Kann ein Steuerzahler seine Steuern zurückfordern, die auf Grund einer unionsrechtswidrigen Norm erhoben wurden, selbst wenn die zugrunde liegenden Steuerbescheide schon bestandskräftig sind? Auch in diesem Fall kann prinzipiell zurückgefordert werden, aber die Voraussetzungen sind äußerst eng: Das geht nur dann, wenn der Steuerzahler sein Recht (vergeblich) durch alle Instanzen gesucht hat. Das Finanzamt kann verpflichtet sein, einen schon bestandskräftigen Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen zu ändern, wenn der BFH zusätzlich seine Pflicht zur Vorlage der relevanten Rechtsfrage an den EuGH missachtet hat und der Steuerzahler sofort nach Bekanntwerden der EuGH-Entscheidung in einem Parallelfall vom Finanzamt die Rückzahlung der unionsrechtswidrig erhobenen Steuern verlangt hat. Dann müssten die unionsrechtswidrig erhobenen Steuern erstattet werden.

Bekannt geworden ist bislang allerdings kein einziger Fall in Deutschland. Im Gegenteil: Nach Auffassung des BFH muss sich der Steuerzahler regelmäßig an der Bestandskraft eines Steuerbescheids festhalten lassen. Selbst der Verstoß gegen das Unionsrecht rechtfertigt es also nicht, die deutschen Regeln zur Bestandskraft von Steuerbescheiden aus den Angeln zu heben.

Billigkeitserlass

Ein weiterer Gedanke liegt nahe: Kann der Steuerzahler wenigstens im Billigkeitswege die unionsrechtswidrig erhobenen Steuern zurückbekommen, wenn seine Steuerbescheide schon bestandskräftig waren, als der EuGH die Unionsrechtswidrigkeit der Rechtsnorm feststellte? Diese Frage ist jetzt vom BFH entschieden worden: Das Finanzamt hatte Schulgeldzahlungen an eine Privatschule in Großbritannien nicht als Sonderausgaben anerkannt, was der BFH letztinstanzlich bestätigte, ohne die Streitsache dem EuGH vorgelegt zu haben. Der EuGH entschied später in einem anderen Fall, die Dienstleistungsfreiheit sei verletzt, wenn Schulgeldzahlungen nur an inländische Privatschulen als Sonderausgaben abziehbar seien. Insoweit war die Entscheidung des BFH falsch. Der Steuerzahler verlangte daraufhin im Ergebnis die Korrektur der BFH-Entscheidung „durch Billigkeitserlass““. Nach Auffassung des BFH geht aber auch das nicht (Urteil vom 21.1.2015, Az.: X R 40/12). Ein eindeutiger Vorrang des Rechtsfriedens vor der Einzelfallgerechtigkeit also.

Fazit

Die Fälle zeigen: Jeder Steuerzahler ist gut beraten, laufend die beim EuGH anhängigen Verfahren nicht nur zum deutschen, sondern auch zum ausländischen Recht zu verfolgen oder verfolgen zu lassen. Sollte der eine oder andere anhängige Fall möglicherweise einschlägig sein, müssen Steuerbescheide z.B. durch Einspruch „offen gehalten““ werden. So kann der Steuerzahler später von einer für ihn günstigen Entscheidung des EuGH profitieren.

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