Neue Regeln für den Aufsichtsrat
Bereits seit einigen Jahren müssen sich Aufsichtsräte in Deutschland mit einer immer stärkeren Regulierung ihrer Überwachungstätigkeit auseinandersetzen. Dieser Linie folgt das jüngst verabschiedete Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG). Wiederum werden die Aufgaben und Pflichten des Aufsichtsrats erweitert und zudem neue Anforderungen an die Besetzung des Gremiums eingeführt. Das Gesetz und seine Auswirkungen für die Tätigkeit des Aufsichtsrats wird im nachfolgenden Beitrag von Raoul Mosel von der Kanzlei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB beleuchtet.
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Aufwertung des Prüfungsausschusses
Das AReG tritt am 17. Juni 2016 in Kraft. Es setzt die prüfungsbezogenen Vorschriften der EU-Abschlussprüferrichtlinie in deutsches Recht um und dient der Ausführung der unmittelbar anwendbaren EU-Abschlussprüferverordnung. Das Gesetz richtet sich in erster Linie an Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIE). Dies sind alle Unternehmen, deren Wertpapiere zum Handel an einer Börse zugelassen sind, sowie die meisten Banken und Versicherungen. Wichtige Änderungen bringt das neue Gesetz vor allem für den Prüfungsausschuss, den Unternehmen von öffentlichem Interesse regelmäßig eingerichtet haben. Dessen ohnehin schon wichtige Rolle wird weiter ausgebaut. Kleinere Aufsichtsräte ohne Prüfungsausschuss müssen die neuen Regeln selbst erfüllen.
Zunächst erhöhen sich im Zuge der Neuerungen vor allem die Sorgfaltspflichten des Prüfungsausschusses bei der Auswahl und Überwachung des Abschlussprüfers. Wie bislang muss der Prüfungsausschuss dem Aufsichtsrat gegenüber einen Abschlussprüfer empfehlen. Neu ist, dass die Empfehlung künftig explizit begründet werden und mindestens zwei Vorschläge für das Prüfungsmandat enthalten muss. Auch muss der Prüfungsausschuss dem Aufsichtsrat unter Angabe der Gründe seine Präferenz für einen der beiden Vorschläge mitteilen. Die Empfehlung muss auf der Grundlage eines Auswahlverfahrens abgegeben werden; alle wesentlichen Entscheidungen – etwa über die Ausgestaltung des Ausschreibungsprozesses und die Auswahlkriterien – hat der Prüfungsausschuss selbst zu treffen.
Darüber hinaus ist der Prüfungsausschuss gehalten, sich mit erweiterten Vorgaben zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers vertraut zu machen. Zu seinem Pflichtenkreis gehören nunmehr die Überwachung der Pflicht zur internen und externen Rotation des Abschlussprüfers ebenso wie die Beachtung der Grenzen, bis zu denen der Abschlussprüfer Nichtprüfungsleistungen (z.B. Steuerberatung) erbringen darf. Zulässige Steuerberatungsleistungen durch den Abschlussprüfer muss der Prüfungsausschuss vorher genehmigen. Schließlich kann der Ausschuss Empfehlungen oder Vorschläge zur Gewährleistung der Integrität des Rechnungslegungsprozesses unterbreiten.
Verstoßen die Aufsichtsratsmitglieder gegen die Vorschriften zur Bestellung des Abschlussprüfers oder überwachen dessen Unabhängigkeit nicht wie vorgeschrieben, begehen sie eine Ordnungswidrigkeit, die eine persönliche Geldbuße von bis zu 50 000 Euro oder – in besonders schweren Fällen – eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr nach sich ziehen kann. Die Ahndung solcher Verstöße wird erleichtert durch die neu eingeführte Informationspflicht des Prüfungsausschusses gegenüber einer staatlichen Aufsichtsstelle (sogenannte Abschlussprüferaufsichtsstelle, kurz APAS). Dieser müssen Prüfungsausschüsse künftig auf Verlangen Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen.
Geändertes Anforderungsprofil für Aufsichtsräte
Bislang verlangte das Gesetz, dass mindestens ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrats bzw. Prüfungsausschusses über Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt (Finanzexperte). Dieses gesetzliche Unabhängigkeitserfordernis des Finanzexperten entfällt künftig, wobei die Unabhängigkeitsanforderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex weiterhin zu beachten sind. Stattdessen werden die Anforderungen an die fachliche Qualifikation des Aufsichtsrates und des Prüfungsausschusses insgesamt erweitert. Erforderlich ist nunmehr, dass die Mitglieder jeweils in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sein müssen. Diese Zusatzqualifikation muss folglich vom Gesamtgremium, nicht jedoch von jedem einzelnen Mitglied, erfüllt werden.
Es ist demnach nicht erforderlich, dass jedes Mitglied des Aufsichtsrates im Vorfeld seiner Bestellung in dem betreffenden Sektor praktische Erfahrung gesammelt oder Kenntnisse erworben hat. Die notwendige Vertrautheit mit dem Geschäftsfeld ist beispielsweise auch dann gegeben, wenn einzelne Mitglieder durch intensive Weiterbildungen Sektorenkenntnisse erworben, alternativ im Beteiligungsmanagement oder langjährig als Angehörige der beratenden Berufe einen tiefgehenden Einblick in den entsprechenden Sektor gewonnen haben. Zu befolgen sind die neuen Regeln zur Besetzung des Aufsichtsrats ab der ersten Bestellung eines Aufsichtsratsmitgliedes nach dem 17. Juni 2016. Sie führen daher nicht dazu, dass wirksam bestellte Mitglieder des Aufsichtsrates vorzeitig ausgetauscht werden müssen, sondern sind erst bei einer Nach- oder Neubestellung eines Mitglieds nach dem 17. Juni 2016 zu beachten. Insgesamt kommt der abschlussprüfungsbezogenen Tätigkeit von Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss durch das AReG in der Praxis künftig eine noch stärkere und sanktionsbewährte Bedeutung zu.
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